ANTRIEBSTECHNIK & MECHANIK

E-Kette verringert Reinigungs- und Wartungsaufwand

Kunststoff-Energieketten für widrigste Bedingungen im Stahlwerk


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In der Stahlindustrie ist alles etwas robuster und größer – zum Beispiel ein Probenentnahme-Verpackungssystem im Walzwerk von ArcelorMittal in Bremen. Was in der Prozessindustrie eine Kombination aus Entnahmeventil und kleinem Behälter sein kann, ist hier ein Beispiel für hoch automatisierten Schwermaschinenbau. Nachdem die Außenwindung des Coils maschinell aufgebogen wurde, schneidet eine massive „Probenschere“ eine Probentafel aus dem Coil, das aus hochfestem oder ultrahochfestem Stahl mit einer Banddicke bis 25,5 Millimetern besteht. Diese Tafel wird dann im Labor analysiert.

 

Logistik für Warmwalzband

Die Station ist Teil der Bearbeitungs- und Verpackungslinie, die der Logistikdienstleister Stute Stahlservice in Bremen im Hüttenwerk von ArcelorMittal betreibt. Seit 2010 organisiert Stute die gesamte Prozesskette des Stahlcoil-Handlings: von Bearbeitungsverfahren wie dem „Frisieren“ (Endenbearbeitung) und Stauchen über die Probenentnahme bis zum Verpacken, Einlagern und Bereitstellen für den Versand. Damit kann sich ArcelorMittal auf seine Kernkompetenz – die Produktion von kalt- und warmgewalzten Stählen für anspruchsvolle Anwender – konzentrieren, während Stute sein Logistik-Know-how einbringt.

Rund 400 Mitarbeiter sorgen im 24/7-Betrieb dafür, dass pro Monat rund 18.000 Coils bearbeitet und versandt werden. Sie wiegen zwischen 3,5 und 45 Tonnen, sind bis zu 2,15 Meter breit und abgewickelt bis zu 1.200 Meter lang. An anderen Stahlstandorten von ArcelorMittal in Neuwied und Edenkoben erbringt das Unternehmen ähnliche Logistikdienstleistungen.

2015 hat Stute am Ende der Warmwalzlinie in eine voll automatische Probenentnahmestation mit angeschlossener Verpackung investiert. Mike Weber, operativer Leiter Primary Automatic, das heißt der automatischen Verpackung im Warmwalzwerk: „Beim Betrieb der neuen Anlage entstanden immer wieder Ausfälle durch die Stahl-Energiekette an den beiden Transportwagen, die voll automatisiert Coils innerhalb der Probenentnahmestation bewegen.“

„Suboptimale“ Konstruktion der vorhandenen Stahl-Energiekette 

Die Transportwagen und die dazugehörende Fördereinrichtung sind von beeindruckender Größe, weil sie die schweren Coils transportieren und handhaben. Die Energiekette mit einem Verfahrweg von 24 Metern wird benötigt, um die Hub- und Handlingseinheit nicht nur mit elektrischer Energie und Signalen (konventionell und per Bus), sondern auch mit Hydrauliköl und Fett zu versorgen. Die Kette aus Stahl wurde in einer Rinne auf dem Boden geführt. Die Folge: Der in der Stahlerzeugung unvermeidliche Schmutz fällt in die Rinne und arbeitet sich beim Abrollen der Kette regelrecht in die Kette hinein – bis sie steif ist und eben nicht mehr abrollt. Das war aber nur eines von zwei Problemen. Weil ein Metall-Metall-Kontakt beim Abrollen unerwünscht ist, hatte der Hersteller Kunststoffgleitschuhe montiert, die sich als verschleißintensiv erwiesen und regelmäßig ausgetauscht werden mussten.

 

Hoher und regelmäßiger Wartungsaufwand 

Den Aufwand für diese Arbeiten haben die Verantwortlichen in Zahlen gefasst: „Wir mussten jeden Tag 25 Minuten Reinigungszeit einplanen, um die Schäden zu minimieren. Und der Wechsel der Gleitschuhe beanspruchte exakt 2.450 Minuten – das sind knapp 41 Stunden – pro Jahr.“ Darüber hinaus kam es zu Folgeschäden: Zum Beispiel scherte die versteifte Kette einen Sensor ab, der den Ausfahrzustand einer Hubvorrichtung am Transportwagen erfasst.

Die Verantwortlichen schauten sich nach einer Alternativlösung. So kam der Kontakt zu igus zustande und es zeichnete sich schnell eine Lösung ab. Aufgrund des besonderen Einsatzszenarios wurde eine Heavy Duty Rollenkette ausgelegt. „Das Besondere an einer Rollenkette ist, dass die Kettenglieder aufeinander abrollen und nicht gleiten, sodass der Abrieb wesentlich minimiert wird“, erklärt Dieter Reitz, Vertriebsleiter e-kette Deutschland. Bei der Heavy Duty Ausführung sind alle beweglichen Kunststoffkomponenten zusätzlich verstärkt. Die Kette verfährt in einer dazugehörigen offenen Rinne aus Stahl. Um die Lösung zu komplettieren, kommen zehn Motor- und Signalleitungen in der Kette aus dem chainflex Programm von igus zum Einsatz. Die Leitungen sind speziell für Anwendungen in Energieketten entwickelt und im hauseigenen 3.800 Quadratmeter großen Labor getestet. 

Reduzierter verschleißbedingter Aufwand 

Die projektierten Energieketten – eine für jeden Heavy Duty Verfahrwagen mit einer Länge von je 29,5 Metern – wurden im November 2019 in Gemeinschaftsarbeit installiert. Mike Weber: „Wir haben alles vorbereitet und die alten Ketten demontiert, igus hat die Rinnen und Ketten an beiden Anlagen montiert. Trotz sehr schlechter Zugänglichkeit unterhalb der Fördereinrichtungen fand die erste Probefahrt der Kette nach kurzer Zeit statt.“ Nach dem Verschleiß der neuen Energiezuführung (Bild 5) befragt, ist die Antwort eindeutig: „Zur Kontrolle gehört bei jeder Schicht auch die Inspektion der Kette. Bisher ist kein Verschleiß in Sicht.“ Einen weiteren Vorteil hat Stute festgestellt, als es zu einem Schaden kam, der nicht von der Kette verursacht wurde: „Einmal hat Fördergut die Energiekette erfasst und mehrere Glieder zerstört. Der Schaden war schnell behoben, weil man bei dieser Kette einfach einzelne Kettenglieder austauschen kann, ohne dafür Kabel und Schläuche demontieren zu müssen“, so Weber. 

Im Rahmen der kontinuierlichen Prozessverbesserung nach dem „Lean Six Sigma“-Prinzip erfassen die Verantwortlichen die Kosten- und Zeitvorteile detailliert. Die nüchterne „Vorher-nachher-Rechnung“ des Austauschs lässt keinen Zweifel zu: Die neue Kette verringert – im Vergleich zur alten – den Aufwand für Wartung und Reinigung um 80 Prozent. Außerdem ist die Ausfallsicherheit höher.