Anwendung in Forschung und Industrie
Solche UV-Hyperspektralkameras eignen sich für eine Vielzahl von Anwendungsgebieten, allen voran für Pharma und Forschung. „Bei der Entwicklung und Herstellung von Medikamenten und Impfstoffen kann UV-HSI zum Beispiel für die Qualitätskontrolle genutzt werden, um zu prüfen, ob der richtige Wirkstoff in der richtigen Konzentration vorhanden ist“, nennt Grass ein Beispiel. UV-Hyperspektralkameras dienen auch zur Analyse von Proteinen, die für das Verständnis biologischer Prozesse und für die Entwicklung neuer Medikamente entscheidend ist, sowie zur Charakterisierung von Nanopartikeln, um die Eigenschaften und Funktionalitäten von Nanomaterialien zu verstehen und Nanotechnologien weiterzuentwickeln. UV-HSI ist zusätzlich für die Forschung im Energiebereich zur Erzeugung von Wasserstoff und synthetischer Kraftstoffe prädestiniert, ebenso für die Untersuchung von Enzym-bzw. Katalysatoraktivität, um die spezifischen Bedingungen, unter denen Enzyme optimal arbeiten, zu erkennen. Zudem kann UV-HSI für die Forensik und die Analyse von Kulturgütern wie archäologische Funde, Gemälde und biologische Präparate verwendet werden.
„Neben der Forschung sind moderne UV-Hyperspektralkameras aber auch für industrielle Anwendungen interessant“, weiß Grass. Sie können zum Beispiel für die Analyse von Lebensmitteln genutzt werden, um Nährstoffgehalte genau zu bestimmen. Mit ihnen lassen sich zudem Textilmaterialien klassifizieren oder Metalloberflächen analysieren.
Schnelle und zerstörungsfreie Charakterisierung
Noch steht die Entwicklung von UV-Hyperspektralkameras am Anfang, die bisherigen Ergebnisse und Anwendungsmöglichkeiten sind aber sehr vielversprechend. So haben die Hochschule Reutlingen und die Universität Tübingen in einer Studie UV-HSI zur Analyse pharmazeutischer Wirkstoffe (API), genauer zur in-line API-Charakterisierung, eingesetzt. „Dabei zeigte sich, dass UV-HSI eine schnelle und zerstörungsfreie Charakterisierung ermöglicht und zeitaufwändige klassische Methoden ersetzt“, betont Grass und prognostiziert: „Im Moment ist UV-HSI zwar eher ein Tool für die Forschung, wird künftig aber auch für die Industrie relevant werden.“ Gearbeitet wird derzeit an höheren Messgeschwindigkeiten, um UV-HSI künftig zum Beispiel als Echtzeit-Kontrollmedium direkt am Förderband einzusetzen.
Für die Analyse der erhobenen Daten wird in Zukunft zudem KI eine immer stärkere Rolle spielen. „Die Infos fallen ja nicht aus den Spektren raus“, formuliert Grass es salopp. „Die Kamera ist das Auge, es braucht eine Software als Gehirn, um die Daten zu verstehen.“ Je smarter eine solche Software ist, desto schneller und besser können die durch die UV-Hyperspektralkamera sichtbar gemachten Informationen übersetzt werden. „Diese Übersetzungsarbeit ist sehr anspruchsvoll, die Software muss hierfür zunächst trainiert werden“, so Grass. Genau hier kann KI einen bedeutenden Beitrag leisten und gängige Schwierigkeiten lösen: Bislang werden für die Auswertungen nämlich verschiedene statistische Methoden verwendet, die mitunter aber Probleme bei der Auswertung haben. Grass: „Ist die Oberflächenstruktur einer Probe zum Beispiel nicht homogen, erkennt eine nicht ausreichend trainierte Software hier zwei unterschiedliche Dinge, obwohl dem nicht so ist.“ KI kann das nötige Training der Software erheblich beschleunigen und vereinfachen, weil sie „mitlernt“. „Im Moment wird KI im Hyperspektralbereich noch nicht viel genutzt, aber das hat großes Potenzial“, betont Grass.
Hyperspektralkameras haben sich von ihrer ursprünglichen Anwendung in der Satelliten-und Luftbildtechnik zu einem vielseitigen Werkzeug in Forschung und Industrie entwickelt. Während herkömmliche Systeme vor allem im sichtbaren und nahinfraroten Bereich arbeiten und dabei organische Materialien analysieren können, stoßen sie bei nicht-organischen Stoffen an ihre Grenzen. Diese Lücke schließen neue UV-Hyperspektralkameras, die durch die Analyse von Elektronenübergängen auch Metalle, Halbleiter und andere nicht-organische Materialien erfassen können. Erste Anwendungen zeigen großes Potenzial — insbesondere in Pharma, Nanotechnologie, Lebensmittel- und Materialanalyse. Obwohl die Technik noch am Anfang steht, könnten höhere Messgeschwindigkeiten und der Einsatz von KI die Hyperspektralbildgebung künftig auch für Echtzeit-Anwendungen in der Industrie attraktiv machen.




