PHARMA



 Nicht-organische Stoffe analysieren 

Hyperspektralkameras im UV-Bereich

inno-spec GmbH

Die Einsatzgebiete von Hyperspektralkameras haben sich in den letzten zwei Jahrzehnten stark weiterentwickelt. Längst werden sie nicht mehr nur in Satelliten verwendet, sondern auch in der Forschung und Industrie, zum Beispiel in der Pharmaindustrie. Die meisten Hyperspektralkameras arbeiten jedoch nur im sichtbaren Wellenlängenbereich und kurzwelligen Infrarot, daher können sie längst nicht alle Informationen aus den Proben darstellen und nur für die Untersuchung bestimmter Materialien verwendet werden. Moderne Hyperspektralkameras, die auch den Ultraviolett-Bereich (UV) abdecken, sind deshalb eine vielversprechende Weiterentwicklung.

Einst für die Fernerkundung mit Satelliten und für Luftmesssysteme entwickelt, sind Hyperspektralkameras heute ein fester Bestandteil in Forschung und Industrie. So kommt in der Recyclingindustrie Hyperspektrale Bildgebung (HSI) zum Einsatz, um einzelne Polymere sichtbar zu machen und so Kunststoffe sauber getrennt recyceln zu können. Auch für die Qualitätskontrolle ist HSI ein wichtiges Instrument, weil sich mit ihr zum Beispiel Lebensmittel klassifizieren und prüfen sowie Verunreinigungen in Industrieprodukten erkennen lassen. 

Marktübliche Hyperspektralkameras verwenden Nahinfrarot (NIR) oder eine Kombination aus sichtbarem Licht und Nahinfrarot (VNIR) und können damit Informationen zum molekularen Grundaufbau eines Materials liefern, indem sie Molekülschwingungen sichtbar machen. Doch im Hinblick auf nicht-organische Materialien, wie Mineralien oder Metalle, die nicht aus Molekülen bestehen, stoßen diese Kameras an ihre Grenzen, da diese Bindungen nicht mit NIR dargestellt werden können. 

Die bestehende Lücke füllen nun UV-Hyperspektralkameras: „Der Einsatz von UV-Licht ist an sich nichts Neues, aber in der hyperspektralen Bildgebung konnte es bislang nicht verwendet werden“, weiß Oliver Grass, Gründer und Geschäftsführer bei inno-spec. Das Nürnberger Unternehmen stellt seit rund 20 Jahren HSI-Systeme für industrielle Anwendungen her und hat nun auch eine UV-Hyperspektralkamera entwickelt, das BlueEye, das zunächst vor allem für die Forschung interessant sein dürfte. Denn anders als Spektrometer, die bereits seit etlichen Jahren mit UV-Licht arbeiten, betrachten UV-Hyperspektralkameras nicht nur auf einen Punkt in der Probe, sondern eine Fläche. „Bei Proben, die nicht homogen sind, löst ein solches HSI-System bestehende Schwierigkeiten, weil nicht länger Punkt für Punkt untersucht werden muss“, beschreibt Grass. Zudem können mit solchen Kameras eben auch nicht-organische Stoffe, Halbleiter und konjugierte Molekülsysteme untersucht werden, weil sie anders als NIR-Systeme nicht die Molekülschwingungen sichtbar machen, sondern die Elektronenübergänge. UV-Licht dringt zudem weniger tief ein als längere Wellenlängen und ist daher ideal für die Analyse von Oberflächen.

Einige Hyperspektralkameras arbeiten zwar bereits seit Längerem im UV-Bereich, verwenden allerdings hauptsächlich den sichtbaren Wellenlängenbereich (circa 400 bis 800nm) und decken zusätzlich nur noch einen kleinen Teil des UVA-Bereichs ab; das Limit liegt meist bei 350nm. „Neue UV-Hyperspektralkameras sind nun in der Lage, den kompletten UVA-und UVB-Bereich abzudecken sowie ein gutes Stück vom UVC-Bereich – das BlueEye zum Beispiel den Bereich von 220 bis 380nm“, erklärt Grass. „Das sind reine UV-Systeme.“ Für die kommt es zum einen auf den richtigen Sensor an, der für diese Wellenlängen sensitiv ist, zum anderen auf die passenden Linsen und andere optische Elemente, die diese Wellenlängen überhaupt durchlassen. „Das Optikdesign muss insgesamt für diese niedrigen Wellenlängenbereiche ausgelegt sein, das ist die Herausforderung bei der Entwicklung“, so Grass.

Anwendung in Forschung und Industrie

Solche UV-Hyperspektralkameras eignen sich für eine Vielzahl von Anwendungsgebieten, allen voran für Pharma und Forschung. „Bei der Entwicklung und Herstellung von Medikamenten und Impfstoffen kann UV-HSI zum Beispiel für die Qualitätskontrolle genutzt werden, um zu prüfen, ob der richtige Wirkstoff in der richtigen Konzentration vorhanden ist“, nennt Grass ein Beispiel. UV-Hyperspektralkameras dienen auch zur Analyse von Proteinen, die für das Verständnis biologischer Prozesse und für die Entwicklung neuer Medikamente entscheidend ist, sowie zur Charakterisierung von Nanopartikeln, um die Eigenschaften und Funktionalitäten von Nanomaterialien zu verstehen und Nanotechnologien weiterzuentwickeln. UV-HSI ist zusätzlich für die Forschung im Energiebereich zur Erzeugung von Wasserstoff und synthetischer Kraftstoffe prädestiniert, ebenso für die Untersuchung von Enzym-bzw. Katalysatoraktivität, um die spezifischen Bedingungen, unter denen Enzyme optimal arbeiten, zu erkennen. Zudem kann UV-HSI für die Forensik und die Analyse von Kulturgütern wie archäologische Funde, Gemälde und biologische Präparate verwendet werden.

„Neben der Forschung sind moderne UV-Hyperspektralkameras aber auch für industrielle Anwendungen interessant“, weiß Grass. Sie können zum Beispiel für die Analyse von Lebensmitteln genutzt werden, um Nährstoffgehalte genau zu bestimmen. Mit ihnen lassen sich zudem Textilmaterialien klassifizieren oder Metalloberflächen analysieren. 

 

Schnelle und zerstörungsfreie Charakterisierung

Noch steht die Entwicklung von UV-Hyperspektralkameras am Anfang, die bisherigen Ergebnisse und Anwendungsmöglichkeiten sind aber sehr vielversprechend. So haben die Hochschule Reutlingen und die Universität Tübingen in einer Studie UV-HSI zur Analyse pharmazeutischer Wirkstoffe (API), genauer zur in-line API-Charakterisierung, eingesetzt. „Dabei zeigte sich, dass UV-HSI eine schnelle und zerstörungsfreie Charakterisierung ermöglicht und zeitaufwändige klassische Methoden ersetzt“, betont Grass und prognostiziert: „Im Moment ist UV-HSI zwar eher ein Tool für die Forschung, wird künftig aber auch für die Industrie relevant werden.“ Gearbeitet wird derzeit an höheren Messgeschwindigkeiten, um UV-HSI künftig zum Beispiel als Echtzeit-Kontrollmedium direkt am Förderband einzusetzen.

Für die Analyse der erhobenen Daten wird in Zukunft zudem KI eine immer stärkere Rolle spielen. „Die Infos fallen ja nicht aus den Spektren raus“, formuliert Grass es salopp. „Die Kamera ist das Auge, es braucht eine Software als Gehirn, um die Daten zu verstehen.“ Je smarter eine solche Software ist, desto schneller und besser können die durch die UV-Hyperspektralkamera sichtbar gemachten Informationen übersetzt werden. „Diese Übersetzungsarbeit ist sehr anspruchsvoll, die Software muss hierfür zunächst trainiert werden“, so Grass. Genau hier kann KI einen bedeutenden Beitrag leisten und gängige Schwierigkeiten lösen: Bislang werden für die Auswertungen nämlich verschiedene statistische Methoden verwendet, die mitunter aber Probleme bei der Auswertung haben. Grass: „Ist die Oberflächenstruktur einer Probe zum Beispiel nicht homogen, erkennt eine nicht ausreichend trainierte Software hier zwei unterschiedliche Dinge, obwohl dem nicht so ist.“ KI kann das nötige Training der Software erheblich beschleunigen und vereinfachen, weil sie „mitlernt“. „Im Moment wird KI im Hyperspektralbereich noch nicht viel genutzt, aber das hat großes Potenzial“, betont Grass.

Hyperspektralkameras haben sich von ihrer ursprünglichen Anwendung in der Satelliten-und Luftbildtechnik zu einem vielseitigen Werkzeug in Forschung und Industrie entwickelt. Während herkömmliche Systeme vor allem im sichtbaren und nahinfraroten Bereich arbeiten und dabei organische Materialien analysieren können, stoßen sie bei nicht-organischen Stoffen an ihre Grenzen. Diese Lücke schließen neue UV-Hyperspektralkameras, die durch die Analyse von Elektronenübergängen auch Metalle, Halbleiter und andere nicht-organische Materialien erfassen können. Erste Anwendungen zeigen großes Potenzial — insbesondere in Pharma, Nanotechnologie, Lebensmittel- und Materialanalyse. Obwohl die Technik noch am Anfang steht, könnten höhere Messgeschwindigkeiten und der Einsatz von KI die Hyperspektralbildgebung künftig auch für Echtzeit-Anwendungen in der Industrie attraktiv machen.

Autorin


Julia Kowal

Freie Redakteurin