PHARMA

 PAT-System gewährleistest Einheitlichkeit von Mischungen 

Optimierung von Feststoffmischprozessen 


Das Mischen von Feststoffen ist einer der häufigsten und anspruchsvollsten Prozesse in vielen Industriebereichen. Unter anderem sind Mischvorgänge in der chemischen und pharmazeutischen Produktion zu finden, sowie in der Herstellung von Lebensmitteln, Kunststoff und Kautschuk.

Bei der Verarbeitung von zwei oder mehr partikelförmigen Materialien müssen die unterschiedlichen Eigenschaften der beteiligten Stoffe berücksichtigt werden, um eine uniforme Verteilung zu erreichen. Mit intelligenter, automatisierter Prozesssteuerung auf der Grundlage prozessanalytischer Technologie (PAT) lassen sich Agglomerationen und Entmischung verhindern, um eine homogene Mischung zu erreichen.

In einer perfekten Zusammensetzung ist die Wahrscheinlichkeit an allen Stellen gleich, ein Teilchen eines beliebigen Bestandteils zu finden, und entspricht dem Anteil dieses Bestandteils im Ausgangsmaterial. Dies ist leicht zu erreichen, wenn alle partikelförmigen, körnigen oder pulverförmigen Bestandteile dieselben physikalischen Eigenschaften bezüglich Partikelgröße, Dichte und Form aufweisen. Es ist außerdem wichtig, dass die Stoffe den energie- und zeitintensiven Mischvorgängen standhalten. In der Praxis bestehen Feststoffmischungen jedoch meist aus Komponenten mit unterschiedlichen Eigenschaften und unterliegen darüber hinaus Schwankungen bei den Ausgangsstoffen. Aus diesem Grund reagieren die Materialien unterschiedlich auf die Energie- und Krafteinflüsse, die während des Mischvorgangs auf sie einwirken. 

So kommt es nicht selten zu einer Clusterbildung und Verlagerung von Partikeln an bestimmten Stellen des Pulver-/Partikelbetts oder des Mischers. Die Folge sind Agglomeration und Entmischung, was die Gleichmäßigkeit und Qualität des Endprodukts beeinträchtigt. Partikelabrieb und elektrostatische Aufladung sind weitere unerwünschte Phänomene, die auftreten können. Unzureichende Homogenität von Mischungen ist eine der Hauptursachen für Qualitätsschwankungen, die zu Ausschuss und zusätzlichen Arbeitsschritten führen.

Die Problematik der Probenahme

Entmischung und Störungen des Pulver-/Partikelbetts durch einen Pulverdieb erschweren zudem eine effektive Stichprobenentnahme. Infolgedessen ist es komplizierter, ein umfassendes Verständnis der Prozesse zu entwickeln, um so deren optimale Bedingungen zu definieren. Somit ist die herkömmliche Probenahme durch einen Pulverdieb schwer zu reproduzieren, und die Entnahme von getrennten, nicht repräsentativen Proben kann zu einer Verzerrung der Ergebnisse führen. 

Zudem sind Offline-Analysen arbeitsaufwändig und verlängern die Stillstands- und Verarbeitungszeiten erheblich, da es nach dem Anhalten der Mischanlagen oft eine Weile dauert, bis die Testergebnisse vorliegen. Auch können Bediener und Techniker bei der Probenahme schädlichen Chemikalien und Feinstaub ausgesetzt sein. Um diese Problematiken zu vermeiden, neigen Hersteller zur Verwendung von Standardbedingungen, die im Grunde eine Überverarbeitung darstellen. Diese gehen zu Lasten der Verarbeitungsdauer und des Energieverbrauchs, ohne dass sie die Produktqualität wesentlich verbessern. Durch das Übermischen wird der Mischung ein Übermaß an Energie zugeführt. Hierdurch verändern sich unter Umständen die physikochemischen Eigenschaften, was zu Qualitätsmängeln führen kann. In manchen Fällen bewirkt die Übermischung sogar eine Trennung der Bestandteile und Heterogenität der Mischung.

 

Verzicht auf Standardeinstellung der Verarbeitungsparameter

Um Produkte von gleichbleibend hoher Qualität zu liefern, muss man einen unmittelbaren und reaktionsschnellen Online-Überblick über den Mischprozess haben. Auf diese Weise sind Hersteller in der Lage, Mischungseigenschaften und deren Veränderung im Laufe der verschiedenen Mischphasen zu überwachen. Zu erreichen ist dies durch die Digitalisierung dieser Aufgaben mit einem automatisierten, PAT-gesteuerten Prozesslenkungssystem.

Entsprechende Systeme messen mithilfe von Echtzeit-Analysatoren an Mischanlagen die kritischen Materialattribute (Critical Material Attributes, CMA) der Ausgangsstoffe und die kritischen Qualitätsattribute (Critical Quality Attributes, CQA) der Mischung. Die so erfassten Daten werden in eine PAT-Wissensmanagementsoftware wie synTQ eingespeist, die die Informationen in einem intuitiv verständlichen Format für das Bedienpersonal anzeigt. Gleichzeitig können präzise Prozessoptimierungen und multivariate Modelle erstellt werden, um Prozessparameter zu regulieren und die Homogenität der Mischung zu überwachen. Bei einigen Produkten in Chargenmischern reichen hierfür ein Moving-Block-Standard-Deviation-Algorithmus (MBSD) oder F-Test-Funktionen. 

Nach der Validierung werden diese Modelle und Methoden während des Mischens innerhalb des PAT-Wissensmanagers ausgeführt. So entsteht ein Echtzeiteinblick für die Überwachung der Qualitätsattribute im Prozess. Mithilfe dieser Daten kann entweder der Prozess automatisch gesteuert (im Falle der kontinuierlichen Herstellung) oder der Abschluss des Prozesses ausgelöst werden (im Falle der Chargenmischung). Dadurch vermeiden Hersteller eine Unter- oder Überverarbeitung und erhalten Produkte von gleichbleibend hoher Qualität bei minimalen Produktionszeiten und geringem Energieverbrauch. Zugleich sinken Ausschussmengen und Aufwand für zusätzliche Arbeitsschritte.

Bei der Chargenmischung beschränkt sich die PAT-Steuerung in der Regel auf das Stoppen des Prozesses, sobald die Mischung ihren optimalen Zustand erreicht hat. Bei kontinuierlichen Mischprozessen kann ein PAT-System hingegen auch Parameter wie die Mischgeschwindigkeit und die Zufuhrrate des Ausgangsmaterials steuern, um die Gleichmäßigkeit der Mischung zu optimieren.

Schlüsselkomponenten aus einer Hand

Um Herstellern in verschiedenen Industriezweigen ein fortschrittliches Setup anbieten zu können, kollaborierte Optimal mit VIAVI, einem Partnerunternehmen für analytische Instrumente. Gemeinsam entstand ein datengestützter, intelligenter Anwendungsfall für die Erkennung des Endpunkts eines Mischvorgangs in V-förmigen Mischbehältern.

Das System basiert auf dem Nahinfrarot-Spektrometer (NIR-Spektrometer) MicroNIR PAT-W von VIAVI, einem kompakten und robusten Präzisionsanalysegerät, das leicht in jede Verarbeitungsanlage integriert werden kann. Es führt extrem schnelle, reproduzierbare und nicht-invasive Analysen der CQA der zu verarbeitenden Materialien durch und eliminiert gleichzeitig das Risiko einer Kontamination während der Probenahme. Die in Echtzeit erfassten NIR-Spektren werden sofort an die synTQ-Software von Optimal gesendet, die die Daten analysiert und die Homogenität der Mischung ermittelt. Sobald die optimalen CQA erreicht sind, sendet synTQ ein Stoppsignal an den Mischer, um eine Überverarbeitung zu verhindern.

Das System ist außerdem sehr einfach zu installieren, zu konfigurieren und in Betrieb zu nehmen. Da Überwachung und Steuerung in der Regel kein multivariates Kalibrierungsmodell benötigen, um eine gleichmäßige Mischung und den Prozessendpunkts zu bestimmen, dauert die Implementierung weniger als zwei Tage. So profitieren Hersteller von maximaler Anlagenverfügbarkeit und einer schnellen Amortisierung der Investition (Return on Investment, ROI).

 

Steuerung der Mischbedingungen

synTQ war auch der Erfolgsfaktor, als das GEA-NUS Pharmaceutical Processing Research Laboratory an der National University of Singapore ein innovatives, automatisiertes Feststoffmischsystem zur Verarbeitung von pharmazeutischen Wirkstoffen (Active Pharmaceutical Ingredients, APIs) und Hilfsstoffen entwickeln wollte. Das Ziel der Lösung war es, die Auswirkungen der variablen Partikelgrößenverteilung der Hilfsstoffe reduzieren.  Gleichzeitig sollten die Mischparameter (Geschwindigkeit und Dauer) optimiert werden, um eine homogenere Mischung zu erzielen.

Der Aufbau besteht aus einem Doppelkonusmischer, der mit einem MicroNIR PAT-W-Sensor von VIAVI ausgestattet ist. synTQ erfasst die Spektren, die dann von den chemometrischen Modellen der Software verwendet werden, um die Partikelgrößenverteilung der Hilfsstoffe und die Konzentration der Wirkstoffe in der Mischung vorauszusagen. Die Ergebnisse der prognostizierten Partikelgrößenverteilung unterstützen die Feedforward-Steuerung der Mischgeschwindigkeit, indem sie an einen Prozessoptimierungsalgorithmus gesendet werden, der ebenfalls in synTQ gehostetet wird. Dieser kodiert das Prozessmodell und bestimmt umgehend die optimale Mischgeschwindigkeit.

Ein Endpunkt-Erkennungs-/Entscheidungsalgorithmus verwendet die vom chemometrischen Modell vorhergesagte Wirkstoffkonzentration zur Feedback-Regelung der Mischzeit. Dieser Algorithmus wird mithilfe statistischer und logischer Methoden konfiguriert, um festzustellen, wann die ideale Konzentration erreicht ist und das Mischen beendet werden sollte. Sowohl die Feedforward- als auch die Feedback-Signale werden an eine Steuerungshardware weitergeleitet, die die Betriebsparameter des Mischers anpasst.

Autor

Martin Gadsby