ENERGIEEFFIZIENZ & NACHHALTIGKEIT



 Wasserstoffproduktion mit industriellem Abwasser 

Alternative Wasserquellen für die Wasserstoffproduktion

EnviroChemie GmbH

Bis 2050 werden Schätzungen zufolge rund 40 Prozent der Weltbevölkerung in Regionen leben, die von Wasserknappheit betroffen sind. Gleichzeitig wird der Wasserbedarf aufgrund von Klimawandel und Bevölkerungswachstum um bis zu 30 Prozent steigen. Selbst ehemals wasserreiche Regionen in Europa haben heute mit Dürreperioden und sinkenden Grundwasserspiegeln zu kämpfen. Zudem gilt es auch zu beachten, dass eine ausreichende und sichere Wasserversorgung eng mit der Nahrungsmittel- und Energieversorgung verknüpft ist. Wenn unterschiedliche Nutzungsinteressen aufeinandertreffen, kann es somit zu Verteilungskonflikten kommen.

Wasserbedarf der Elektrolyse

Zusätzlich verschärft wird die Situation durch die Umstellung der Energie- und Chemieindustrie auf grünen Wasserstoff, für dessen Herstellung viel Wasser benötigt wird: Für den Elektrolyseprozess werden etwa 10 Liter Wasser pro Kilogramm Wasserstoff (l/kg H2) als Ausgangsstoff und insgesamt 30–70 l/kg H2 als Ausgangsstoff und Kühlung benötigt, abhängig von der verwendeten Elektrolyseurtechnologie und den lokalen klimatischen Bedingungen. Die folgende Tabelle zeigt den potenziellen Wasserbedarf basierend auf dem geschätzten Produktionsanstieg von grünem Wasserstoff in den kommenden Jahren. Bis 2050 könnte der Bedarf an sauberem Wasserstoff auf 585 Mt pro Jahr steigen – eine Menge, die dem Trinkwasserverbrauch von etwa 134 Millionen Menschen entspricht. Bezieht man den Wasserverbrauch für die Kühlung mit ein, verzehnfacht sich dieser Wert und entspricht dem Wasserverbrauch von einer Milliarde Menschen.


Potenzieller Wasserverbrauch für die Produktion von grünem Wasserstoff in den kommenden Jahren


Globale Nachfrage nach sauberem Wasserstoff
(Mio. t H2/a)1
Nachfrage nach Wasser als Ausgangsstoff2
(Mio. m³/a)
Anzahl der Personen, die diese Wassermenge verbrauchen
(Personenäquivalent)3
2024< 5501.100.000
2030~ 6060013.700.000
20505855.850134.000.000

1 Laut McKinsey Energy Solutions Global Energy Perspective (2023)

2 Berechnet mit 10 l/kg H2

3 Berechnet auf Basis eines Trinkwasserverbrauchs von 120 l/(Person*d)

Alternative Wasserquellen 

Um Verteilungskonflikte und eine zunehmende Wasserknappheit vor Ort zu verhindern, müssen nun alternative Wasserquellen und innovative Wasseraufbereitungstechnologien gefunden werden. Als alternative Wasserquellen für das Trinkwassernetz stehen folgende Möglichkeiten zur Verfügung:

1

Meerwasser

2

Oberflächenwasser (aus Seen oder Flüssen)

3

Wiederverwendung von Abwasser aus kommunalen Kläranlagen

4

Wiederverwendung von Abwasser aus industriellen Kläranlagen

Bei der Auswahl geeigneter Verfahren liegt der Fokus darauf, Kosten, Arbeitsaufwände, Energieverbrauch und Umweltbelastungen gering zu halten. Die Aufbereitung von Meer- und Oberflächenwasser entspricht zwar dem neuesten Stand der Technik, reicht aber als alleinige Lösung nicht aus. Die Meerwasseraufbereitung ist mit einem hohen Energieverbrauch (2,6–8,5 kWh/m³) sowie mit Umweltbelastungen verbunden, da Salzlake zurück ins Meer geleitet werden muss. Bei der Aufbereitung von Oberflächenwasser fällt der Energieverbrauch zwar geringer aus, allerdings stellt sich hier das Problem, dass Oberflächenwasser nicht ganzjährig in ausreichender Menge zur Verfügung steht, um die Auswirkungen auf nachgelagerte Bereiche zu minimieren. Bei der Verwendung von Abwasser aus kommunalen Kläranlagen liegt der Energieverbrauch je nach der eingesetzten Prozesstechnologie zwischen 1,2 und 1,96 kWh/m³. Da kommunale Kläranlagen zentralisiert angelegt sind, kann es schwierig sein, große Wassermengen an entlegene Orte zu verteilen.

Um eine ausreichende Wasserversorgung für die Wasserstoffproduktion bereitzustellen, verlagert sich der Schwerpunkt deshalb auf lokale Quellen und insbesondere auf industrielles Abwasser. Im Folgenden werden einige alternative Lösungen zur Wasserversorgung auf Basis von industriellem Abwasser vorgestellt. Dabei handelt es sich sowohl um Lösungen für leicht als auch für stark verschmutzte Abwässer, die als Wasserquelle für einen Elektrolyseur oder zur Entlastung des Trinkwassernetzes genutzt werden könnten.

Abbildung 1: Integration von industriellem Abwasser und anderen Wasserquellen in einen ganzheitlichen Ansatz für die H2-Produktion

Wasserversorgungslösungen zur Entlastung des Trinkwassernetzes

Zur Aufbereitung anorganisch und organisch gering belasteter Minenabwässer wird eine Prozesskette aus Vorfiltration, Ozondosierung, keramischer Ultrafiltration, Aktivkohlefiltern und Umkehrosmose vorgeschlagen (siehe Abbildung 2). Im Zentrum dieses Prozessablaufs steht die keramische Membranfiltration mit vorgeschalteter Ozonbehandlung. Das Ozon zerstört organische Abwasserinhalte und verringert das Verschmutzungspotenzial der Membran erheblich. So minimiert die CembrOzone-Lösung die Membranverschmutzung und maximiert gleichzeitig die Leistung und Lebensdauer der Membran. Ein Aktivkohlefilter zur Entfernung von Restozon und eine anschließende Umkehrosmose sorgen für die erforderliche Wasserqualität.

Abbildung 2: Flussdiagramm der CembrOzone-Lösung

Bei einer Mine in Schweden wird das anorganisch und organisch gering belastete Grubenabwasser (TOC < 5 mg/l und 16 NTU) in Technikmodulen aufbereitet, was eine modulare Bauweise der Anlage ermöglicht. Der Nettodurchfluss der Anlage beträgt 200 l/(m²h) und der Betriebsdruck ist aufgrund der speziellen Siliziumkarbid (SiC)-Membran mit –0,1 bis –0,25 bar sehr niedrig. Das System benötigt 3–5 g O3/m³, was einen Gesamtenergieverbrauch von 0,15–0,25 kWh/m³ inklusive Peripheriegeräte ergibt. Hinzu kommt der erforderliche Energieaufwand, um das Wasser auf die vom Elektrolyseur benötigte Qualität aufzubereiten. Die Anlage ist auf einen Permeatvolumenstrom von 4.800 m³/d ausgelegt, was nach einer stark vereinfachten Methode auf 480 t H2/d umgerechnet werden kann. Diese Technologiekombination eignet sich auch zur energieeffizienten Aufbereitung von Oberflächenwasser.

Abbildung 3: EnviroChemie-Modulanlage zur Behandlung von Minenabwasser (links) und Beispiel für den modularen Aufbau einer EnviroChemie-Anlage (rechts)

Aufbereitung von Abwässern mit geringer organischer Belastung

Am Produktionsstandort einer großen Molkerei in Deutschland werden verschiedene Milchprodukte hergestellt, darunter Magermilchkonzentrat, Kondensmilch und Milchpulver. Bei der Produktion fällt Brüdenkondensat an. Gemeinsam mit der Molkerei hat EnviroChemie ein Aufbereitungskonzept entwickelt, um dieses Brüdenkondensat im Produktionsbereich wiederzuverwenden.

Abbildung 4: Flussdiagramm der Aufbereitungsstrategie für organisch gering belastete Ströme auf Trinkwasserqualität 

Das Brüdenkondensat weist geringe organische (TOC < 50 mg/l) und anorganische Verunreinigungen auf (elektrische Leitfähigkeit < 15 µS/cm). Die Aufbereitung beginnt mit einem aeroben biologischen Prozess, bei dem gelöste organische Verbindungen durch Mikroorganismen, die in Biofilmverbindungen wachsen, biologisch abgebaut werden. Dem aeroben Bioreaktor ist als zweite Stufe ein Festbettreaktor nachgeschaltet, in dem die Feststoffe reduziert und gleichzeitig die organische Belastung und Stickstoffverbindungen weiter abgebaut werden. Das gereinigte Wasser aus dem Festbettreaktor ist von hoher Qualität, kann aber durch nachfolgende Aufbereitungsschritte weiter verbessert werden. Damit das aufbereitete Wasser den Trinkwasserqualitätsstandards entspricht, muss ein mehrstufiges Membranverfahren mit einer Heißwasserdesinfektion kombiniert werden. Die biologische Vorbehandlung hat den Vorteil, dass kleine organische Verbindungen abgebaut werden, die sonst durch eine Umkehrosmosemembran gelangen könnten. Zudem wird das Wasser lagerfähig gemacht, wobei das Risiko eines erneuten mikrobiellen Wachstums / einer mikrobiellen Kontamination geringer ist.

In der Molkerei werden mit dieser Lösung jährlich 188.000 m³ Prozesswasser bereitgestellt. Der zur Aufbereitung erforderliche Energieaufwand beträgt ca. 1,2 kWh/m³ Betriebswasser. So ließe sich ein Elektrolyseur installieren, der jährlich 20.000 Tonnen Wasserstoff produziert und dabei die Trinkwasserversorgung entlastet.

Abbildung 5: 3D-Modell der installierten Anlage, die jährlich 188.000 m³ Wasser in Trinkwasserqualität produziert und dabei Brüdenkondensat als Wasserquelle nutzt

Behandlung von Abwässern mit hoher organischer Belastung 

Abwässer mit hoher organischer Belastung erfordern oft eine aufwendige Aufbereitung und mehrere Prozessschritte für das Abwasserrecycling. Die bestehende Abwasserbehandlungsanlage eines Kartoffelverarbeitungsunternehmens in Deutschland, die nur über eine biologisch-aerobe Aufbereitungsstufe verfügte, konnte beispielsweise durch Flotation, anaerobe Vergärung, Ultrafiltration und Umkehrosmose erweitert und modernisiert werden (siehe Abbildung 6). Durch die Erweiterung der Anlage und Rückführung des Permeats aus der Umkehrosmose in die Produktion konnte der Wasserverbrauch um 30–40 % gesenkt werden.


Abbildung 6: Flussdiagramm des Abwasserrecyclings zur Behandlung von Abwässern mit hoher organischer Belastung

In der Aufbereitungsanlage werden 1.800 m³/d mit einem CSB von 4.170 mg/l, einem TOC von 1.540 mg/l und einem Chloridgehalt von 310 mg/l aufbereitet. Im wiederverwendeten Wasser wurden die Qualitätskriterien von TOC < 4 mg/l, Chlorid < 50 mg/l und coliformen Bakterien von 0 KBE/100 ml eingehalten.

Abbildung 7 zeigt den spezifischen Energieverbrauch während der Modernisierungsphasen. Durch die Erweiterung der bestehenden Anlage um ein Flotations- und ein anaerobes biologisches Aufbereitungssystem (2015 bis 2017) konnte der spezifische Energieverbrauch auf ca. 35 % des Bezugswerts (2013, 2014) gesenkt werden. Dies wurde durch Energiegewinnung aus dem Methan erreicht, das bei der anaeroben Vergärung organischer Substanzen entsteht. 

Durch die Modernisierung der Anlage zur Wasserwiederverwendung im Jahr 2018 wurde der spezifische Energieverbrauch auf ca. 60 % des Bezugswerts (2013, 2014) gesteigert. In der anschließenden Optimierungsphase hat sich gezeigt, welches Potenzial betriebliche Verbesserungen zur Reduzierung des Energieverbrauchs haben und wie wichtig diese sind. Durch Optimierungen wie beispielsweise eine chemische Reinigung zur Verlängerung der Filterzyklen der Ultrafiltration konnte der spezifische Energieverbrauch im Vergleich zur Altanlage im Jahr 2013/2014 um 50 % auf 3,5–3,7 kWh/m³ gesenkt werden. Aufgrund der hohen Qualität eignet sich das gereinigte Abwasser gut als Grundlage für die Weiterverarbeitung zu Wasserstoff.

In diesem Beispiel stehen nach Abzug von 40 % für die Wasserwiederverwendung 1.080 m³/d Betriebswasser zur weiteren Verwendung zur Verfügung. Bei einer angenommenen Rückgewinnungsrate von 75 % in der Umkehrosmose könnten aus den 800 m³/d Wasser rund 80 t H2/d produziert werden.

Abbildung 7: Energieverbrauch bei der Modernisierung einer Abwasserbehandlungsanlage für die Kartoffelverarbeitungsindustrie

Zusammenfassung

Die vorgestellten Fallstudien zeigen, dass industrielles Abwasser eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung alternativer Wasserquellen für die Produktion von grünem Wasserstoff spielen kann. Besonders betont wird die Bedeutung eines ganzheitlichen, systemischen Ansatzes für die lokale und integrierte Wasserstoffproduktion. Darüber hinaus zeigen die Fallstudien, dass durch die geeignete Kombination und Optimierung verschiedener Technologien nicht nur ausreichend Wasser in der erforderlichen Qualität bereitgestellt werden kann, sondern auch energetisch vorteilhafte und somit wirtschaftliche Lösungen erzielt werden können. Die vorgestellten Lösungen bieten vielversprechende Ansätze für Unternehmen, um die Herausforderungen bei der Wasserstoffproduktion zu meistern.


Wasserquelle und Energieverbrauch

WasserquelleEnergieverbrauch (kWh/m³)
Oberflächenwasser 
(aus Seen oder Flüssen)
0,37
Grundwasser0,48
Abwasserbehandlung0,62–1,96
Wasserwiederverwendung
1,0–2,5
Meerwasser
2,58–8,5
Vorgestellte Alternativen

Minenwasser/Oberflächenwasser
​0,1–0,25
Abwasser, Kartoffelverarbeitungsindustrie 3,5–3,7
Brüdenkondensataufbereitung, Molkereiindustrie
1,2