PROZESSAUTOMATISIERUNG & DIGITALISIERUNG
Durchgängiger Datenzugriff bis ins Feld
Fit für den Einsatz in der Feldebene: Mit Ethernet-APL wird die Digitalisierung in verfahrenstechnischen Produktionen einen Schub erhalten.
Seit vielen Jahren sind Feldgeräte in der Verfahrenstechnik in der Lage, nicht nur ihre eigentliche Messaufgabe zu erfüllen, sondern auch weitergehende Informationen zu liefern. Theoretisch wird so die installierte Basis transparent und detaillierte Gerätediagnoseinformationen stehen zur Verfügung, beispielsweise zur vorbeugenden Wartung der Instrumente.
Allerdings lässt sich dieser Mehrwert mit den momentan eingesetzten Technologien nur teilweise realisieren. Beispielsweise ist die 4…20mA-Analogtechnik zur Prozesssteuerung geeignet, nicht aber für weiteren Datenzugriff. Das zusätzliche HART-Protokoll, das heute meistens nur für die Konfiguration der Geräte genutzt wird, ist für einen umfangreichen Datenzugriff schlicht zu langsam. Die seit vielen Jahren bekannte Feldbustechnologie hat diesen Punkt zwar verbessert, ist aber ebenfalls noch recht langsam. Zudem hat sich im Laufe der Jahre gezeigt, dass die Feldbustechnologie vielen Anwendern zu komplex ist und sich infolgedessen nie vollständig durchsetzen konnte.
Welten wachsen zusammen
Der Blick in andere Bereiche zeigt, dass die Datenübertragung via Ethernet dort zum Standard nicht nur in der Büroumgebung, sondern auch im industriellen Einsatz geworden ist. Der Hauptvorteil liegt in der hohen Geschwindigkeit und der nahtlosen Integration in IT-Systeme. „Lediglich im Feld der Prozessindustrie haben die Ethernet-Spezifikationen bislang die Erwartungen der Betreiber nicht erfüllt“, sagt Benedikt Spielmann, Marketing Manager Industrial Communication bei Endress+Hauser und erklärt warum: „Ethernet überträgt Daten zwar schnell, aber alle Komponenten benötigen eine separate Energieversorgung. Das bedeutet einen hohen Verkabelungsaufwand und damit verbunden höhere Kosten. Außerdem war Ethernet bislang auf 100 Meter Kabellänge beschränkt, während in Prozessanlagen oftmals Distanzen von 1000 Metern und mehr zu überbrücken sind. Auch der typische RJ-45-Stecker ist nicht für die raue Umgebung im Feld ausgelegt. Doch das beste Argument bislang gegen den Einsatz von Ethernet in der Prozessindustrie war die mangelnde Eignung für Ex-Bereiche aufgrund der fehlenden Eigensicherheit.“
Vor einigen Jahren haben sich namhafte Hersteller und Nutzerorganisationen zusammengetan, um genau diese Nachteile aus der Welt zu schaffen. Die Ethernet-APL-Gruppe hat sich zum Ziel gesetzt, die grundsätzlichen Vorteile der Ethernet-Technologie auch in den verfahrenstechnischen Anlagen nutzen zu können und Ethernet fit für den Einsatz in der Feldebene der Prozessindustrie zu machen: Energieversorgung und Datenübertragung über dasselbe Zweileiterkabel, für den Einsatz im Ex-Bereich geeignet, mit einer hohen Bandbreite und langen Kabeldistanzen.
Die Arbeit an den Spezifikationen ist mittlerweile abgeschlossen. Die Technologie wurde im Rahmen der virtuellen Messe ACHEMA 2021 der Öffentlichkeit vorgestellt. „Der Launch der Ethernet-APL Technologie zur ACHEMA Pulse war ein wichtiger Meilenstein“, so Benedikt Spielmann. „Alle Spezifikationen und Guidelines wurden wie geplant pünktlich fertiggestellt. Die Vorstellung von ersten Ethernet-APL Geräten auf der Multi-Vendor-APL-Wand hat eindrücklich gezeigt, dass alle beteiligten Hersteller an ihrem APL-Portfolio arbeiten. Außerdem gab es dadurch erste Einblicke, welche Anwendungsfälle beim Kunden von der neuen Technologie profitieren.“
Port Profiles
In der APL-Port-Profile-Spezifikation werden funktionale und elektrische Anforderungen mit mehreren Energiekonzepten festgelegt. Dies ermöglicht unterschiedliche Topologien, wie das gängige Trunk-and-Spur-Konzept, mit bis zu 1000 Meter auf dem Trunk und 200 Meter auf der Spur-Line. Die Spezifikation beinhaltet zudem Installationsregeln wie zugelassene Kabel, Schirmung und Erdung sowie die Definition von Klemmverbindungen und M8/M12-Steckverbindern.
Engineering Guideline
Diese Guideline bietet detaillierte Informationen für die Planung, Installation und Inbetriebnahme von Ethernet-APL-Netzwerken.
Conformance Test Specification
Um die Konformität eines Ethernet-APL-Geräts mit den genannten Spezifikationen sicherzustellen, wird eine entsprechende Testspezifikation erstellt. Diese Tests sind die Basis für die Zertifizierungen von Ethernet-APL-Geräten bei akkreditierten Prüflaboren der involvierten Nutzerorganisationen. Dadurch wird die Interoperabilität von Ethernet-APL-Geräten für den Endanwender sichergestellt.
In der Praxis angekommen
Bereits vor der offiziellen Vorstellung der Normen und Spezifikationen und der nach ihren Vorgaben konstruierten Geräte, wurde die Ethernet-APL-Technologie erfolgreich in der Praxis eingesetzt. So hat die BASF in Ludwigshafen schon im Jahr 2019 Ethernet-APL-Prototypen verschiedener Hersteller installiert. Die Tests reichten von der Installation über die Inbetriebnahme bis hin zum Ausschleusen von Daten parallel zum Prozessleitsystem. Die Automatisierer der Prozessindustrie diskutierten bereits auf der NAMUR-Hauptversammlung 2019 die vielversprechenden Ergebnisse. Zusammengefasst lauteten die Vorteile von Ethernet-APL:
Die Ethernet-Kommunikation über das 2-Leiter-Feldbuskabel ist stabil.
Daten aus der smarten Instrumentierung können über den „second channel“ gemäß NAMUR Open Architecture vorbei am Prozessleitsystem geleitet werden.
Benedikt Spielmann
Marketing Manager Industrial Communication
Endress+Hauser Digital Solutions