MSR & PROZESSAUTOMATION

 Smarte Digitalisierungslösungen für die Prozesstechnik 

 Nachhaltig profitabler 

Die Erreichung unserer Klimaschutzziele ist auf eine gemeinsame Anstrengung aller gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Akteure angewiesen. Dazu zählt auch die Industrie. Um die Erderwärmung bis 2050 auf 1,5 Grad Celsius zu beschränken, müssen nicht zuletzt Lösungen her, die es den energieintensiven und emissionsreichen Branchen der Prozessindustrie ermöglichen, sich nachhaltiger und klimafreundlicher aufzustellen.

Neben CO2-freien Verfahren zur Herstellung von Basischemikalien sieht der Verband der Chemischen Industrie (VCI) insbesondere beim Thema Digitalisierung einen wichtigen Grundpfeiler für nachhaltiges Wirtschaften. Und genau hier setzen die Technologie- und Softwarelösungen von Tech-Konzern Schneider Electric an. Der erfahrene Partner der Prozessindustrie hat ein ganzheitliches, IIoT-basiertes Portfolio aus elektrotechnischen Feldgeräten, Prozesssteuerungen und Softwareanwendungen entwickelt, mithilfe dessen Anlagen schonender betrieben und Ressourcen effizienter eingesetzt werden können. Marcel Rameil, Global Offer Manager Control Software bei Schneider Electric, erklärt im Interview, inwiefern sich beim Thema Digitalisierung Wertschöpfung, Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit verbinden.


Interviewpartner:

Marcel Rameil
Global Offer Manager Control Software bei Schneider Electric


 PROZESSTECHNIK:   Herr Rameil, welchen Stellenwert hat Nachhaltigkeit für Schneider Electric?

Rameil: Für unsere Firmenidentität und unser Selbstverständnis, aber auch für unsere Lösungs- und Produktentwicklung ist Nachhaltigkeit ein entscheidendes Leitmotiv. Das äußert sich zum Beispiel darin, dass wir mit Green Premium ein firmeneigenes Label für schadstoffarme und kreislauffähige Produkte geschaffen haben, unter das sich mittlerweile nahezu 80 Prozent unseres gesamten Portfolios subsummieren. All unsere Technologielösungen und Softwareanwendungen sind so konzipiert, dass sich mit ihnen nachhaltiges Wirtschaften auch ökonomisch erfolgreich umsetzen lässt. Wir freuen uns sehr, dass wir von Corporate Knights 2021 im Ranking der nachhaltigsten Firmen der Welt auf Platz 1 gelistet wurden. Wer sich für unser ganzheitliches Sortiment an Hard- und Softwarekomponenten entscheidet, der entscheidet sich zugleich für einen erfahrenen Partner mit einer klaren Nachhaltigkeitsstrategie.

 PROZESSTECHNIK:  Inwiefern können Unternehmen der Prozessindustrie davon profitieren, wenn ihre Digitalisierungsstrategie von Nachhaltigkeitserwägungen geleitet wird?

Rameil: Es geht darum, Nachhaltigkeit als Wert und Chance für das eigene Unternehmen zu begreifen. Nachhaltiges Wirtschaften, weniger CO2-Emissionen, Nutzung grüner Energien sind ja nicht nur Verpflichtungen, die der Industrie von Gesellschaft und Politik auferlegt werden. Mit den Mitteln der IIoT-basierten Digitalisierung ist mehr Nachhaltigkeit vor allem gleichbedeutend mit erheblichen ökonomischen Vorteilen. Denn was erwarten Betreiber von ihrer prozessleittechnischen Anlage? In diesem klassischen Bereich der Prozessindustrie geht es seit jeher vor allem um durchgehende Verfügbarkeit und Redundanz. Eine Anlage sollte möglichst lange, möglichst stabil laufen und über viele Jahre eine gleichbleibende Produktqualität liefern. Außerdem sind gute Wartbarkeit, geringe Betriebskosten und die Vermeidung kritischer Abfallprodukte ein Muss. 

Gerade heute kommt es vielen Unternehmen zudem auf eine merkliche Reduzierung der sehr kostspielig gewordenen CO2-Emissionen an. Gleichzeitig ist es in einem internationalen Wettbewerbsumfeld immer schwieriger, größere Umbauten und Erweiterungen in bestehenden Anlagen durchzuführen. Es kommt zunehmend darauf an, aus den bestehenden Prozessen, Anlagen und Assets mehr herauszuholen. Oft wird das möglich durch die Reduktion von ungeplanten Stillstandszeiten sowie die intelligentere Nutzung von Echtzeit-Informationen auf der Basis von Digitalisierung und Vernetzung von vormals nicht verbundenen Prozessen. Auch eine erweiterte Transparenz, geschaffen durch Analytics, Datenkonzentration und Kontextualisierung bietet hier einen enormen Mehrwert. Gerade die einfachere Verfügbarkeit daraus resultierender Erkenntnisse, zum Beispiel mittels grafischer Dashboards auf Mobilgeräten in einer sicheren Cloud-Umgebung, macht es möglich, bestehende Prozesse gewinnbringend zu optimieren.

Wie man leicht erkennt, ist also letztlich das, was aus rein wirtschaftlicher Sicht erstrebenswert ist, genau das, was sich mit einer von Nachhaltigkeitsaspekten geleiteten Digitalisierung heute schon erreichen lässt. Insofern ist Nachhaltigkeit weit mehr als nur ein Marketing- oder Zukunftsthema – Nachhaltigkeit ist ein handfester Business Case für die Prozessindustrie.


 PROZESSTECHNIK:  Die Prozessindustrie ist allein schon durch ihre technologische Struktur eine mitunter konservative Branche. Viele große, bestehende Anlagen haben lange Lebenszyklen und einmal etablierte Prozessabläufe lassen sich nur sehr schwer – oder nur unter hohem Risiko – modifizieren. Wie kann eine digitale Transformation dennoch schnell gelingen?

Rameil: Das ist das charmante an vielen unserer Digitalisierungslösungen: sie lassen sich meist im laufenden Betrieb installieren. Denn beim Thema Digitalisierung geht es nicht darum, Verfahren zu verändern, Rohrleitungen umzubauen oder ganze Systeme neu einzustellen. Vielmehr geht es darum, in einem ersten Schritt die durchgängige Datentransparenz, sprich die Sichtbarkeit, einer Anlage zu erhöhen. Nur so lässt sich ein besseres Verständnis dafür entwickeln, wo und wie genau Prozesse optimiert oder angepasst werden können. Um diese Sichtbarkeit zu erhöhen ist es zum einen nötig, dass sämtliche, bereits vorhandenen Daten aus allen Winkeln eines Betriebs zusammengeführt und integriert werden können. Eine ganzheitliche IoT-Architektur, wie unser EcoStruxure, ist dabei hilfreich. Zum anderen ist es nötig, den Daten-See mit vielen weiteren Daten zu füllen. Dem Konzept der NAMUR Open Architecture (NOA) folgend, lässt sich das zum Beispiel mithilfe von digitalisierten und vernetzten Sensoren und Aktoren am Prozess realisieren.

Und auch hier, wenn es um die Schaffung einer breiteren Datenverfügbarkeit geht, zahlt sich eine von Nachhaltigkeitserwägungen geleitete Digitalisierungsstrategie aus. Denn Nachhaltigkeit bedeutet auch: Strategisches Vorausdenken, um für die Zukunft besser gerüstet zu sein. In diesem Sinne sollte etwa beim routinemäßigen Austausch von Feldgeräten auf die digitale Zugänglichkeit geachtet werden – auch wenn für den Moment noch keine konkrete Anwendung geplant ist. Wie die Vergangenheit gezeigt hat, ist es angesichts der rasanten Technologieentwicklung durchaus sinnvoll, möglichst früh in die Ausweitung des unternehmenseigenen Daten-Sees zu investieren. Denn Daten, die heute noch nicht ausgewertet werden können, könnten in Zukunft wettbewerbsentscheidend sein.


 PROZESSTECHNIK:   Können Sie konkrete Beispiele dafür nennen, wie sich bereits durch leicht installierbare Bauteile Mehrwert in puncto nachhaltigem Wirtschaften generieren lässt?

Rameil: Ein besonders prägnantes Beispiel in diesem Zusammenhang sind Frequenzumrichter. Mit ihnen ist es zum Beispiel unkompliziert möglich, die Effizienz einer hochempfindlichen Pumpenanwendung erheblich zu optimieren. Da der Umrichter Frequenz und Amplitude der Ausgangswechselspannung dynamisch anpasst, können elektrische Motoren auch äußerst energieeffizient im Teillastbereich betrieben werden. Hinzu kommt, dass intelligente Frequenzumrichter, wie etwa unsere Modelle der Altivar Process Baureihe, mithilfe intelligenter Services, die auf die bestehenden Messdaten am Motor aufsetzen, das Verhalten eines elektrischen Motors äußerst präzise überwachen können. Auffälligkeiten oder Abweichungen von den charakteristischen Signalverläufen werden sofort erkannt und lassen, im Fall von Pumpen, zum Beispiel Rückschlüsse auf das Kavitationsverhalten zu. Auf diese Weise ist es möglich, eine Pumpe nah an der Kavitationsgrenze zu betreiben und Motoren nach Kennfeldern nah an den Auslegungsgrenzen fahren zu lassen. Entscheidende Messgrößen wie Blasenbildung am Pumpenrad oder Schlupf im Antrieb müssen dazu oft nicht direkt gemessen werden.

 PROZESSTECHNIK:   Durch Datenintegration und intelligente Messtechnik, wie sie auch bei den Frequenzumrichtern zum Einsatz kommt, entsteht ein riesiger Datenpool. Wie lassen sich daraus die richtigen Schlüsse für den Betrieb einer Anlage ziehen?

Rameil: Zunächst muss natürlich klar sein, was ich von meiner Anlage erwarte. Sprich: Was muss diese leisten können, um wettbewerbsfähig zu sein? Hohe Verfügbarkeit und gleichbleibende Produktqualität zum Beispiel setzen eine hohe Ausfallsicherheit voraus. Diese wiederum lässt sich vor allem dann gewährleisten, wenn ich dazu in der Lage bin, den Verschleiß sämtlicher technischer Komponenten kontinuierlich und detailliert zu überwachen. Auf diese Weise kann ich meine Anlage vorausschauend Warten, ungeplanten Stillstandszeiten proaktiv zuvorkommen oder auch unnötige Routinewartung vermeiden. Allerdings ist klar: Die dafür notwendige Überwachung und Auswertung der gewaltigen Datenströme in Echtzeit ist ohne die Hilfe von intelligenten Softwarelösungen nicht möglich. Hier nenne ich gerne unseren EcoStruxure Maintenance Advisor als Beispiel. Mit diesem Softwaretool ist es möglich, routinemäßige Wartungsvorgänge datenbasiert zu reduzieren beziehungsweise vorwiegend dort durchzuführen, wo die Messdaten eine Wartung als notwendig anzeigen. Mit dem EcoStruxure Control Advisor werden alle Regelungen einer Anlage permanent überwacht und zyklisch analysiert, sodass die Regelgüte aller Regelungen kontinuierlich auch über die Veränderung mit der Zeit oder mit Prozessfahrweisen transparent ist. Durch modellbasierte Ursache-Folge Analysen werden Informationen erzeugt, mit denen man eine Anlage regelungstechnisch beruhigen und tiefere Regelungsprobleme identifizieren kann. Indem so die Regelgüte von Ventilen erheblich verbessert werden kann, lässt sich durch den Einsatz von weniger Instrumentenluft auch ein großes Maß an Energie einsparen. Auch hier verbinden sich also wieder Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit.

 PROZESSTECHNIK:   Können Sie dafür einen konkreten Anwendungsfall beschreiben?

Rameil: Um beim Beispiel der Ventile zu bleiben: Mithilfe des EcoStruxure Maintenance Advisor in Kombination mit unseren serviceorientierten Ventilantrieben lässt sich unter anderem die Bewegung von Ventilen im Detail messen und optimieren. Dazu wird beispielsweise die zurückgelegte Wegstrecke des Antriebs und die Anzahl der Regelbewegungsrichtungsumkehr über die Zeit gemessen. Mit dem EcoStruxure Control Advisor können zudem sehr intuitiv Regelschwingungen in einer komplexen Anlage auf Frequenz und Phase gegeneinander analysiert werden, was oft Erkenntnisse für die wahren Ursachen von Regelschwingungen liefert. Durch eine verbesserte Regelungsstrategie etwa ist es in vielen typischen Anwendungsfällen möglich, die zurückgelegte Wegstrecke eines Ventilantriebs pro Zeiteinheit praktisch zu halbieren. Das schont das Material, beruhigt die Anlage im Ganzen und minimiert ungeplante Ausfallzeiten. Zusätzlich lässt sich mit dem EcoStruxure Control Advisor eine kommerzielle Relevanz für jedes einzelne, erfasste Ventil festlegen. Damit lassen sich aus der Flut an Informationen über eine enorme Vielzahl an Ventilen diejenigen Komponenten herausfiltern, deren Ausfall die schlimmsten Auswirkungen für die Produktivität einer Anlage hätten. Für optimierte Wartungsabläufe sind das äußerst wichtige Informationen.

 PROZESSTECHNIK:    Abgesehen von Effekten für die vorausschauende Wartung – lassen sich mit der Kombination aus ganzheitlicher Vernetzung und intelligenten Softwareanwendungen auch Vorteile für die Anlagensteuerung generieren?

Rameil: Ja, ganz sicher. Denn mithilfe hoher Datentransparenz und intelligenten Softwarelösungen kann die Qualität wichtiger Betriebsentscheidungen erheblich optimiert werden. Vor allem dann, wenn es um das schnelle Erkennen und Verstehen von komplexen Zusammenhängen geht. Gerade in der Prozessindustrie sind die Unternehmen häufig in ein vielgliedriges Netzwerk aus vor- und nachgelagerten Lieferketten, Strom- und Gasversorgern sowie weiteren Dienstleistern für zum Beispiel die Verbrennung von unerwünschten Prozessnebenprodukten eingebettet. Außerdem gestalten sich die prozesstechnischen Zusammenhänge innerhalb einer Produktionsumgebung häufig sehr komplex und hochgradig sensibel. Für einen menschlichen Bediener ist es deshalb oft völlig unmöglich vorherzusagen, welche Fahrweise einer Fabrik die gewinnbringendere ist. 

In Zeiten volatiler Energieerzeugung, schnell wechselnden und hohen Strompreisen sowie Lieferengpässen kann mangelnde Agilität in dieser Hinsicht jedoch schnell zu gravierenden Umsatzeinbußen führen. Mit unserem intelligenten Softwaretool EcoStruxure Profit Advisor haben wir deshalb eine Lösung entwickelt, die Bediener von prozesstechnischen Anlagen bei genau solchen, agilen Entscheidungsprozessen unterstützt. Das System bedient sich aller über ein Wertschöpfungsnetzwerk verfügbarer Daten und errechnet kontinuierlich sogenannte Was-wäre-wenn-Szenarien. Auf diese Weise entstehen im Viertelstunden-Takt modellbasierte Handlungsempfehlungen, die an den menschlichen Bediener kommuniziert werden. Darin integriert sind neben aktuellen Daten zu beispielsweise Strompreisen, Verfügbarkeit von Rohprodukten, Lagerbeständen und weiteren Informationen des jeweils relevanten Ecosystems auch historische Messdaten und KPIs. Gewichtet werden die Handlungsempfehlungen dann danach, welche Fahrweise sich ökonomisch am Ende am meisten auszahlt. Unsere Erfahrung zeigt, dass sich ein einzelner Standort damit um bis zu 5 bis 8 Prozent effizienter betreiben lässt, der Payback der Lösung liegt bei nur etwa einem Jahr. Und auch hier zeigt sich ein interessantes Phänomen: In vielen Fällen ist es so, dass gerade der EcoStruxure Profit Advisor dafür sorgt, dass eine Anlage nachhaltiger, umweltfreundlicher und klimaschonender läuft. 

Angesichts solcher Lösungen verfestigt sich auch in der Prozessindustrie immer mehr das Verständnis dafür, dass mehr Nachhaltigkeit, erhöhte Profitabilität sowie die Reduktion von ungeplanten Stillständen mit denselben Mitteln erreicht werden können. Grundlage dafür sind in jedem Fall mehr Daten in Echtzeit, intelligentere Vernetzung und Kontextualisierung von Daten sowie die Verdichtung von Informationen zu relevanten Handlungsanweisungen für Bediener und Anlagenbetreiber. Auf diese Weise lässt sich mithilfe von mehr Digitalisierung mehr aus bestehenden Anlagen herausholen.


Herr Rameil, wir danken Ihnen für dieses Interview!