NACHGEFRAGT BEI ...

TÜV SÜD Management Service GmbH

Interviewpartner:

Dr. Andreas Daxenberger
Auditor und Business Development Food

 FOODTEC:  Was sind Ihre „Helden“ aus der Technik, Industrie oder Forschung?

Daxenberger: Wissenschaftliche Erkenntnis ist immer ein Ergebnis des Zusammenwirkens vieler brillanter Köpfe und ist niemals das Ergebnis von Einzelarbeit im stillen Kämmerlein. Für besonders bedeutsam halte ich die Entschlüsselung der Struktur der Erbsubstanz (DNA) durch Watson & Crick im Jahr 1953. Bis in die 50iger Jahre konnte man zwar Flugzeuge und Weltraumraketen bauen, jedoch gab es keine brauchbare Vorstellung, wie Leben auf genetischer und molekularer Ebene organisiert ist. Mit der Entschlüsselung der Struktur der DNA und des genetischen Codes wurde die „Epoche der Molekularbiologie“ eingeleitet, ohne die viele unserer heutigen medizinischen Möglichkeiten nicht denkbar wären. Nur um ein Bespiel zu nennen: Ohne der molekularbiologischen Impfstoffproduktion von heute müssten wir ähnlich der „Spanischen Grippe“ mit 50 – 60 Millionen Toten durch COVID-19 Toten weltweit rechnen.


 FOODTEC:   Was ist für Sie die wichtigste technische Entwicklung aller Zeiten?

Daxenberger: Mit der Entwicklung des Mähdreschers wurden Heerscharen von Landarbeitskräften vorerst arbeitslos und gingen in die Städte. Hier entstand ein enormes Potential nicht nur an Arbeitskräften sondern auch an Kulturschaffenden und Intellektuellen, wodurch unsere heutige Industriegesellschaft erst ermöglicht wurde. Diese gewaltige gesellschaftliche Umwälzung war leider auch geprägt von enormen sozialen Problemen wie Verelendung und Verarmung. Ich bleibe aber dabei: Ohne Mähdrescher würde der größere Teil von uns heute noch mit der Sense und der Gabel auf dem Acker stehen, bis die Arthrose zur Bewegungslosigkeit verurteilt. Das Beispiel zeigt aber auch: Jede Technische Entwicklung muss eingebunden sein in soziale und gesellschaftliche Anpassungen.


 FOODTEC:   Für welche moderne technische Entwicklung sehen Sie die größte Zukunft?

Daxenberger: Die Solarenergietechnik, insbesondere die Photovoltaik ist die Schlüsseltechnologie, um das physikalische Kernproblem der Menschheit zu lösen: unseren Energiebedarf. Die bisher genutzten Energieträger sind keine dauerhafte Lösung. Einzig die Sonne liefert auf Dauer genug Energie. Wir brauchen eine Transformation unserer Kohlenstoff-basierten zu einer Solar-basierten Wirtschaft. Im frühen 20. Jahrhundert wurde mittels gewaltiger Anstrengungen in wenigen Jahrzehnten ein immenses Netz an Straßen, Tankstellen, Raffinierien, Pipelines und Wasserstraßen geschaffen, das im Grunde heute noch besteht und weiterhin die Basis für unseren Wohlstand bildet. Das funktioniert aber so nicht mehr lange. Ich sehe keinen Grund, warum es nicht möglich sein sollte, in einem Green New Deal unsere Infrastruktur auf solare Füße zu stellen mit den dafür nötigen Netzen, Anlagen und Fahrzeugen.


 FOODTEC:   Welche gesellschaftliche Entwicklung wird den größten Einfluss auf die Zukunft haben?

Daxenberger: Global betrachtet wird sich die Gier des Menschen nach Konsum und Mobilität nicht ändern –   das sehe ich als menschliche Naturkonstante. Wir benötigen Konzepte, um unsere Wertschöpfung auf eine sozial- und umweltverträgliche Basis zu stellen. Hier liegt wohl die wesentliche gesellschaftliche Entwicklung: Die Menschen in den Industrienationen möchten sicher auch in Zukunft sicher ihren Wohlstand behalten – jedoch unter viel besserem Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Dafür benötigen wir eine Solarbasierte Transformation unserer Industriegesellschaft.


 FOODTEC:   Was halten Sie für die wichtigsten Errungenschaften Ihres Unternehmens?

Daxenberger: TÜV SÜD begleitet die Menschen seit Beginn der Industrialisierung. Anfangs bestand der Fokus noch auf Industrieanlagen (z. B. Dampfkesseln mit seinen Explosionsgefahren), gefolgt von den Risiken der Mobilität. Heute kümmert sich TÜV SÜD darüber hinaus um alle Arten von Verbraucherprodukten. Wobei nicht nur die Konformität der Produkte, sondern auch der Herstellprozesse im Vordergrund stehen, z.B. das Energiemanagement, der Arbeitsschutz und die IT-Sicherheit.

TÜV SÜD kann die mit der Technik verbunden Gefahren nicht eliminieren, denn hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht. Sehr wohl trägt TÜV SÜD aber dazu bei, die damit verbundenen Risiken für Menschen und Umwelt beherrschbar zu machen. Das tolerierbare Maß von Risiko wird immer im gesellschaftlichen Diskurs und bestenfalls Konsens festgelegt. Daran ist TÜV SÜD stets beteiligt.


 FOODTEC:   Wie beschreiben Sie Ihre Unternehmenspolitik? Was ist das Motto Ihres Unternehmens?

Daxenberger: Seit mehr als 150 Jahren ist es das Ziel von TÜV SÜD, Menschen, Umwelt und Sachgüter vor den nachteiligen Auswirkungen der Technik zu schützen und damit den Fortschritt von Gesellschaft und Wirtschaft voranzubringen. Dieses Engagement kommt in unserem Claim „Mehr Wert. Mehr Vertrauen.“ zum Ausdruck. Als unabhängige Prüf- und Zertifizierungsdienstleister schaffen wir heute mit mehr als 25.000 Mitarbeitern an über 1.000 Standorten Mehrwert für Kunden und Partner und stärken damit das Vertrauen in eine nachhaltige und digitale Zukunft.


 FOODTEC:   Welche Herausforderungen sehen Sie für die Zukunft?

Daxenberger: Für uns stellen Lücken in der Nachhaltigkeit von industriellen Prozessen und Dienstleistungen das größte Risiko für die technische Entwicklung in der Zukunft dar. In der Schaffung und Prüfung von Standards zur Nachhaltigkeit liegt für uns eine große Chance für die Zukunft. Leider gibt es zur Nachhaltigkeit noch wenige Standards, die vollumfänglich und allgemein akzeptiert sind. Die Schwierigkeit bei Standards zur Nachhaltigkeit ist, dass die Ursache von Risiken nicht in der Gefährlichkeit der Technik oder Unachtsamkeit von Menschen bei ihrer Nutzung liegt – sondern im Menschen als solchem, wie er lebt und arbeitet. Hier ist ein weiterer gesellschaftlicher Diskurs nötig. TÜV SÜD ist hier als Partner gefragt.


 FOODTEC:   Welche Entwicklungen plant Ihr Unternehmen für die Zukunft?

Daxenberger: Die digitale Transformation revolutioniert schon heute jeden Aspekt unseres Alltags. Sie verändert die Art und Weise, wie wir leben, arbeiten und unsere Freizeit verbringen. Entsprechend der Weiterentwicklung von Technologien und Anwendungen entwickelt auch TÜV SÜD sein Serviceportfolio über alle Geschäftsbereiche kontinuierlich weiter. Ein Beispiel sind unsere Service rund um Energie und Klimaschutz, im Bereich Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie oder im Bereich Windkraftanlagen - von der Planung bis zum Betrieb - und natürlich auch im Bereich der nachhaltigen Mobilität.


Dr. Daxenberger, vielen Dank für das Interview!