TITEL-THEMA
Zukunftssichere Digitalisierung für die Prozessindustrie
Anlagenautomatisierung
mit NOA, Ethernet-APL und MTP
In der Prozessautomatisierung sind zuverlässige und effiziente Produktionsprozesse Voraussetzung für einen wirtschaftlichen Anlagenbetrieb. Moderne Anlagenkonzepte unterstützen bei der Instandhaltung und optimieren den Prozessablauf. Beckhoff bietet mit seiner Umsetzung von NOA, Ethernet-APL und MTP zukunftssichere Lösungsmöglichkeiten sowohl für Bestands- als auch für Greenfield-Anlagen.
Edge Device für NOA
In der Prozessautomatisierung kommen verschiedenste Protokolle und Kommunikationstechnologien zum Einsatz. Für die erste Umsetzung des NOA-Konzepts hat sich Beckhoff für die Nutzung des HART-Protokolls entschieden. Das Protokoll ist weit verbreitet und damit in vielen Feldgeräten unterschiedlicher Hersteller implementiert. Die Überlagerung des eigentlichen 4-20-mA-Messwerts durch ein digitales Signal ermöglicht die Übertragung weiterer Daten, z. B. zum Status des Feldgeräts und mithilfe spezieller Speisetrenner, welche in vielen Anlagen bereits Teil der Automatisierungsarchitektur sind, lässt sich mit nur geringem Aufwand ein sogennanter „Second Channel“ eröffnen. Das bedeutet, dass die Verbindung zum Feldgerät in das 4-20-mA-Signal, die HART-Kommunikation und die Versorgungsspannung aufgetrennt wird. Die bestehende Verbindung zum Prozessleitsystem wird also nicht unterbrochen. Über den zweiten Kanal können so entsprechende Daten empfangen und für das M+O verwendet werden.
Beckhoff bietet mit der analogen EtherCAT-Eingangsklemme EL3182 eine Möglichkeit, auf sehr kompaktem Bauraum zwei Feldgeräte über das HART-Protokoll anzubinden. Kombiniert mit einem Embedded-PC – z. B. einem CX8110 – und der Automatisierungssoftware TwinCAT lässt sich ohne speziell entwickelte Hardware ein modular erweiterbares Edge Device aufbauen.
Konvertieren und Übersetzen der Daten
Vollständige Datenerfassung mit Ethernet-APL
Auch für Greenfield-Anlagen bietet das NOA-Konzept Vorteile: Schon bei der Planung der Anlage können zusätzliche Sensoren verbaut und damit mehr Daten für die Überwachung und Optimierung bereitgestellt werden. Neue Technologien wie Ethernet-APL ermöglichen dabei eine einfachere Umsetzung.
Diese neue Kommunikationstechnologie basiert auf dem Ethernet-Standard 10BASE-T1L, welcher eine maximale Kabellänge von 1.000 m und eine Übertragungsrate von 10 MBit/s erlaubt. Energie und Daten werden mit Ethernet-APL über dasselbe Adernpaar (Single Pair Ethernet) übertragen. Grenzwerte für die Energieversorgung in allen Zonen des explosionsgefährdeten Bereichs werden durch die IEC-Spezifikation 60079-47 (2-WISE) festgelegt. Um die Installation zu vereinfachen und die Konnektivität der eingesetzten Geräte zu verbessern, hat die Projektgruppe zusätzlich in der technischen Spezifikation TS10186 Port-Profile definiert: Ein Port-Profil umfasst neben Informationen zur Anschluss- und Segmentklasse auch die Ex-Zulassung des jeweiligen Geräteanschlusses.
Die Vision des Ethernet-APL-Konzepts ist es, die gesamte Kommunikation in prozesstechnischen Anlagen – von der Feldebene bis in übergerodnete Leitsysteme – Ethernet-basiert umzusetzen. Dabei geht es nicht nur um die reinen Prozessdaten, sondern insbesondere auch um Statusinformationen des Feldgeräts. Die im Vergleich zu Feldbussystemen gestiegene Übertragungsrate erlaubt darüber hinaus auch das Verwenden von Webservern für die Parametrierung oder den Download von Datenblättern oder Zertifikaten direkt vom Feldgerät.
Die Anwender stehen allerdings bei der Realisierung einigen Herausforderungen gegenüber: Um die genannten Vorteile schon jetzt flächendeckend nutzen zu können, sind APL-fähige Feldgeräte notwendig. Aufgrund der noch jungen Technologie bietet der Markt bisher jedoch kein breites Portfolio. In bestehenden Anlagen mangelt es zudem an Platz für die Installation zusätzlicher Infrastrukturkomponenten wie Switche. Die Verwendung der Ethernet-basierten Kommunikationstechnologie bis in die Feldebene erfordert darüber hinaus neue Funktionen und Richtlinien im Kontext der IT- und OT-Security.
Wie können Anwender Ethernet-APL schon jetzt in ihre Anlagen integrieren und von den vielfältigen Vorteilen profitieren? Eine Lösung ist die Kombination der neuen Technologie mit bewährten Standards wie dem HART-Protokoll. So können bestehende Anlagen sukzessive mit neuen APL-Geräten „digitalisiert“ und die Barrieren für einen vollständigen Umstieg reduziert werden.
Die ELX6233 kann wie viele der EtherCAT-Klemmen aus dem Beckhoff Portfolio in Zone 2 des explosionsgefährdeten Bereichs montiert werden und erlaubt den Anschluss von Ethernet-APL-Feldgeräten aus Zone 0. Die Schnittstellen entsprechen den Vorgaben der IEC 60079-47 und folgen dem Port-Profil SPAA.
Ethernet-APL führt durch die durchgängige Ethernet-Kommunikation zu weiteren Herausforderungen im Bezug auf die IT- und OT-Security. Anders als in vielen PROFINET-Architekturen befindet sich der Controller direkt in der EtherCAT-Klemme und nicht in der übergeordneten Steuerung. Dieser Aufbau bietet dem Anwender die Möglichkeit, sämtlichen Datenverkehr durch die Klemme zu filtern und eine Firewall einzubauen. Außerdem bietet die Klemme im Vergleich zu einem Field Switch weniger Möglichkeiten für einen unerlaubten Zugriff auf Prozessdaten. Diese Architektur schafft darüber hinaus weitere Vorteile im Bezug auf die Performance der Applikation. Durch die Punkt-zu-Punkt Verbindung zum Sensor entfällt die Gefahr der Netzwerkauslastung durch unerwünschten Querverkehr, ein bekanntes Problem in klassichen PROFINET-Netzwerken. Zusätzlich können die Zykluszeiten des Systems verkürzt werden, da EtherCAT im Vergleich zu anderen Feldbussen eine kompaktere Datengröße des Prozessabbilds ermöglicht.
Zusammenfassung
Mit der NAMUR Open Architecture und dem PA-DIM schafft die Prozessindustrie die Grundlage für eine einheitliche und strukturierte Abbildung heterogener Systeme in übergeordneten Analysetools. So können bestehende Anlagen schon jetzt digitalisiert und damit beispielsweise die Wartungsaufwände reduziert werden.
Die Idee eines einheitlichen Datenmodells wie z. B. PA-DIM ist dabei auch unabhängig von NOA ein interessantes Thema für die Zukunft. So könnten Anlagenabschnitte in Gateway-Applikationen zusammengefasst und in definierten Informationsmodellen an das DCS weitergegeben werden. Das DCS wäre somit losgelöst vom Prozessabbild des Sensors, sodass auch ein herstellerübergreifender Austausch des Feldgeräts problemlos möglich ist. Darüber hinaus können Regelkreise dezentral umgesetzt werden, um das DCS zu entlasten und den Datenverkehr zu reduzieren.
Einen ähnlichen Ansatz verfolgt das MTP-Konzept, bei dem die Anlage modular aufgebaut ist. Jedes Modul ist dabei mit einer eigenen Steuerung ausgestattet, die sich über eine standardisierte Schnittstellenbeschreibung in die Automatisierungsarchitektur integriert. Hierdurch erlaubt das MTP die flexible Anpassung der Produktion an die Marktsituation durch Variation der eingesetzten Module. Einzelne Module können zudem im Fehlerfall schnell und einfach ausgetauscht werden, um Stillstandszeiten zu reduzieren.
Der modulare Ansatz setzt sich auch in der Integration von Ethernet-APL in das Beckhoff Portfolio fort. Statt großer Field-Switche werden APL-Feldgeräte mithilfe kompakter EtherCAT-Klemmen eingebunden. Diese können flexibel mit weiteren Klemmen, beispielsweise für die Kommunikation mit digitaler Sensorik, kombiniert werden. Auch bietet die direkte Anbindung an eine Steuerung eröffnet weitere Möglichkeiten für Gateway- oder Edge-Applikationen. So gehen Ethernet-APL und NOA mithilfe der Beckhoff Automatisierungstechnik schon heute Hand in Hand.
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