ANTRIEBSTECHNIK & MECHANIK

Automatische, integrierte Vorladeschaltung

Frequenzumrichter für erhöhte Verfügbarkeit von Rollgängen


Im Walzwerk der Dillinger Hütte gibt es mehrere Rollgänge. Auf einem davon, dem Abkühlrollgang des Normalisierofens 2, werden die aus dem Ofen kommenden Bleche abgeführt und über Querkräne auf Lagerplätze verteilt. Die Bleche können stark in der Größe variieren. Ihr Gewicht reicht von 3 bis 48 Tonnen, wobei die sehr großen Bleche eine Breite von 4,10 Meter, eine Länge von 28 Meter und eine Dicke von 52 Millimeter haben können. Da mehrere Bleche gleichzeitig auf dem Rollgang vorgeschoben werden, kann Material mit einem Gesamtgewicht von rund 200 Tonnen auf der Rollbahn liegen.

Der Abkühlrollgang hat eine Länge von 299 Meter und hat genauso viele angetriebene Rollen. Das Instandhaltungsteam stand in den zurückliegenden Jahren zunehmend vor dem Problem, dass es für die in die Jahre gekommenen Frequenzumrichter keine Ersatzteile mehr gab. Die 299 Wechselrichter für den Rollgang sind in 37 Schaltschränken untergebracht. Pro Schrankfeld sind es acht Geräte, bis auf einen Schrank mit nur drei Umrichtern. Thomas Dibos ist als Betriebsingenieur Elektrik in der Instandhaltung bei Dillinger verantwortlich für diesen Rollgang. Er berichtet: „Die alten Frequenzumrichter sind seit dem Jahr 2000 im Betrieb und sind schon lange nicht mehr als Ersatz zu bekommen. Viele ließen sich auch nicht mehr reparieren. Wir mussten uns daher um eine Alternative kümmern.“

Vorladeschaltung war das Auswahlkriterium

Eine Anforderung an die neuen Wechselrichter lautete, dass genauso viele Geräte wieder in die Schränke passen sollten. Entscheidendes Auswahlkriterium war allerdings die geforderte integrierte Vorladeschaltung der Wechselrichter. Die Module ACS880-104 von ABB haben als einzige Geräte diese Anforderung erfüllt. Für das Mehrmotorensystem dienen zwei Netzpulser als gemeinsame Einspeiseeinheit für die Wechselrichter. Die beiden Netzpulser haben jeweils eine Ausgangsspannung von 540 VDC und einen Nennstrom von 2.500 Ampere. Im Normalfall laufen beide und versorgen jeweils die Hälfte der Rollen des Abkühlrollgangs.

Für den Wechsel der Umrichter müssen die Netzpulser komplett heruntergefahren werden. Beim Wiedereinschalten der Einspeisung können die ACS880-104, dank integrierter Vorladeschaltung, direkt an den DC-Zwischenkreis geschaltet werden. Bei Umrichtern ohne diese technische Lösung wäre hingegen ein Kurzschluss die Folge. Dazu Thomas Dibos: „Die integrierte Vorladeschaltung kann meines Wissens sonst kein anderer Hersteller bieten. Das spart uns viel Material wie Widerstände und Schütze rund um die Umrichter. Damit konnte ABB uns überzeugen.“ Die ABB-Wechselrichtereinheiten besitzen eine automatische, integrierte Vorladeschaltung mit einem Ladeschalter. Wird eine Wechselrichtereinheit an den DC-Zwischenkreis angeschlossen, wird zunächst der Ladeschalter geschlossen. Nach Abschluss des Vorladevorgangs kann der DC-Schalter geschlossen und der Ladeschalter geöffnet werden.

Mehrmonatiger Testlauf

Die Wechselrichtermodule ACS880-104 in Schutzart IP20 haben eine Ausgangsleistung von 11 Kilowatt bei einer Eingangsspannung von 540 Volt. Vor der ersten größeren Bestellung sollten erst einige Geräte in einem Testlauf geprüft werden. Dazu wurden im Jahr 2019 drei Geräte in dem Schrank verbaut, der für die Rollen der letzten drei Meter des Rollgangs verantwortlich zeichnet. In dem mehrmonatigen Testlauf zeigten die Wechselrichter einen reibungslosen Betrieb. Nachdem die Entscheidung für die Wechselrichtermodule von ABB gefallen war, hat Thomas Dibos mit seinem Team ein Konzept erarbeitet, wie sich der Umbau möglichst rasch realisieren lässt. Er hat sich hierfür eine Adapterplatte mit Steckbolzen für die neuen Geräte fertigen lassen, die auf die bestehende Montageplatte montiert wird. Dies sowie die Vorverkabelung der Geräte haben den Umbau deutlich beschleunigt. Dadurch können Dibos und sein Team zwei Schränke in knapp zehn Stunden umbauen.

Bis Ende März dieses Jahres wurden sechs Schränke in dem Walzwerk mit neuen Wechselrichtern versehen. Das entspricht 48 Geräten. Material für zwei weitere Schränke ist bereits vorhanden, darüber hinaus wurden 40 Wechselrichter für fünf zusätzliche Schränke bestellt. In der Summe sind dies 104 Wechselrichter von ABB.

Zum guten Funktionieren trägt auch die reibungslose Einbindung der ABB-Geräte in die übergeordnete Automatisierungsebene eines Drittherstellers bei. Dafür verantwortlich ist das Plug-in-Tool Drive Manager für die Automatisierungssoftware des Marktbegleiters. Der Drive Manager nutzt dabei die TCI-Schnittstelle der SPSen zur Kommunikation mit den an den Profibus angeschlossenen Antrieben. Das Tool verfügt über eine Reihe vorkonfigurierter Funktionen, die die Einstellung der ABB-Frequenzumrichter, die zusammen mit den SPSen des anderen Herstellers verwendet werden, vereinfacht.