PUMPEN & KOMPRESSOREN

Vakuum generierende Kryopumpe

In der französischen Provence wird seit 14 Jahren das Forschungsprojekt zur langfristigen emissionsfreien Energiegewinnung realisiert. Unter dem Akronym ITER (lat. „Weg“) arbeiten insgesamt 35 Nationen am bislang größten Kernfusionsreaktor. Nach demselben Prinzip wie unsere Sonne, soll der Reaktor vom Typ Tokamak Nettoenergie im Gigawatt-Bereich erzeugen und damit den Weg für die Fusionswissenschaft sowie für die Energiegewinnung von morgen bereiten.


In Zusammenarbeit mit dem französischen Maschinenbauer Alsyom wurde der deutsche Hersteller von Hochleistungssystemen RI Research Instruments von ITER damit beauftragt, ein Torus- und Kryostat-Kryopumpensystem herzustellen. Dieses soll das erforderliche Vakuum in der Brennkammer des Fusionsreaktors generieren. Die hierfür benötigten Großzylinder fertigt Konstandin, ein Lösungsanbieter für Pneumatik, Hydraulik und Vakuumtechnik.

Nach einer umfangreichen Überprüfung des Prototyps im Jahr 2014 wurden die acht Pneumatik-Zylinder mit Leichtlaufeigenschaften schließlich im Juni 2020 geliefert, sodass die Montage an den Pumpen bis 2022 abgeschlossen werden kann. Ihrer Feuerprobe werden sich die Zylinder im Rahmen erster Testläufe mit mehrere Millionen Grad heißem Plasma voraussichtlich Ende 2025 unterziehen. In einem sogenannten Tokamak wird nichts Geringeres als die Energiequelle der Sonne reproduziert – ohne dabei hochradioaktive Abfälle in Kauf zu nehmen. 


Im Inneren des Zentralgestirns kollidieren die Kerne von Wasserstoffatomen miteinander und verschmelzen zu Helium, wobei energiereiche Neutronen freigesetzt werden. Um diesen Prozess der Kernfusion auf der Erde zu erreichen, wird ein Wasserstoffplasma in der evakuierten Brennkammer des Reaktors, dem Torus, auf 100 Million Grad Celsius erhitzt. Ein supraleitendes Magnetsystem, welches das gesamte donutförmige Vakuumgefäß umspannt, sorgt dafür, dass das Plasma im luftleeren Raum zusammengehalten wird. 


Denn bei einer Berührung mit anderen Teilchen oder gar den Wänden würde es innerhalb von Sekunden stark abkühlen, was eine Reaktion unmöglich macht. Das für eine solche Kernfusion notwendige Vakuum mit Druckwerten, die der Leere des Weltraums nahekommen, kann nicht mehr allein mit mechanischen Pumpen erreicht werden. Zur Erzeugung des Ultrahochvakuums muss deshalb zusätzlich auf ein Kryopumpensystem zurückgegriffen werden.






Eine Kryopumpe basiert auf dem physikalischen Prinzip, dass Atome, Moleküle und Partikel durch den Kontakt mit einer sehr kalten Oberfläche „eingefangen“, immobilisiert und so aus dem Vakuumgefäß extrahiert werden. Aus diesem Grund ist jede ITER-Kryopumpe mit 28 Kryopanels ausgestattet, die auf 4,5 K (-268,6 Grad Celsius) heruntergekühlt werden. An diese lagern sich sämtliche Gase und die bei der Kernfusion freigesetzten Abfallprodukte an. Wenn die Pumpe „voll“ ist, wird sie vom Torus beziehungsweise dem Kryostat getrennt, innerhalb weniger Minuten auf 100 K (-173,2 Grad Celsius) erwärmt, damit sich die adsorbierten Teilchen lösen, und schließlich wieder auf Betriebstemperatur reduziert. Der Zyklus aus Abkühlen, Erwärmen und Auspumpen innerhalb kürzester Zeit stellt enorme Herausforderungen an das Design der Kryopumpe. Das Ventil – übrigens das größte Ganzmetall-Hochvakuumventil der Welt – muss dabei absolut dicht bleiben.


An dieser Stelle kommen die angefertigten Edelstahl-Großzylinder von Konstandin ins Spiel. Deren primäre Funktion ist das Ein- und Ausfahren des Ventiltellers, der die Pumpe von der Vakuumkammer trennt, und damit die präzise Steuerung der Pumpleistung. Damit sie erwärmt und die angesammelten Gase und Moleküle ausgeleitet werden können, muss die Kryopumpe außerdem zuverlässig vom Torus separiert werden. Andernfalls würde ein Rückstrom der Gase in die Brennkammer des Reaktors die Fusionsreaktion des Plasmas unterbrechen. Während der Regeneration einer Pumpe übernimmt eine andere deren Funktion, sodass alle eingesetzten Kryopumpen in einem akkuraten Wechselspiel zusammenarbeiten. Als eines von über einer Million Einzelteilen im ITER-Reaktor wird jeder der acht Pneumatik-Zylinder rund 30.000 dieser strapazierenden Zyklen aushalten müssen.


Alle Materialien müssen kompatibel mit den hohen magnetischen Feldern und beständig gegenüber der radioaktiven Strahlung im Tokamak sein. Nach umfangreichen Testungen des Kryopumpen-Prototyps zwischen 2014 und 2018, für den der Hersteller bereits zwei Großzylinder beisteuerte, erfolgte Ende 2019 die Beauftragung mit der Herstellung der acht benötigten Pneumatik-Zylinder. Im Juni 2020 wurden sie schließlich an RI geliefert, wo sie im Laufe der folgenden beiden Jahre an die kompletten Pumpen montiert werden, bevor sie die Reise nach Südfrankreich antreten.

 

Sowohl am Prototyp, als auch im Rahmen der endgültigen Fertigung, mussten die Edelstahl-Zylinder zahlreiche Prüfstrecken und Zyklen-Tests zur Verschleißanalyse durchlaufen. So ist etwa eine präzise Positionierung der 0,5 Tonnen schweren Ventileinheit bis auf 1 Millimeter genau notwendig. Ebenso sorgt der Großzylinder dafür, die notwendige Schließkraft von 10 Tonnen auf das Ventil zu übertragen. Neben der zuverlässigen Funktion sowie der Dichtheit der Zylinder, die beispielsweise mittels Drucktests von 10 bar nachgewiesen wurde, lag ein besonderes Augenmerk auf der Überprüfung der Leichtlaufeigenschaften. Diese müssen weniger als 0,5 bar betragen, um einen genauen Verfahrweg der Kolbenstange sicherzustellen und den störenden Stick-Slip-Effekt zu minimieren. Dabei sorgen die Komponenten aus hochwertigem Edelstahl und Aluminium sowie das verwendete Schmierfett und die Sonderdichtungen nicht nur für einen widerstandsfreien Lauf, sondern sind auch beständig gegen Korrosion und Radioaktivität.

 

Im ITER-Reaktor werden insgesamt sechs Kryopumpen am Torus selbst und zwei weitere am Kryostat installiert, um auch die intern auf 4 K (-269 Grad Celsius) gekühlten supraleitenden Magnete thermisch von der Umgebung zu isolieren. Aktuell befindet sich das Projekt in der Haupt-Montagephase, die bis Ende 2025 abgeschlossen sein soll. Daraufhin sind zunächst Versuche mit einem Wasserstoffplasma, noch ohne Fusionsreaktion, geplant, um das System zu testen und einigen zentralen Fragen der Plasmaphysik und der Fusionsforschung auf den Grund zu gehen. Im Idealfall werden die ersten Experimente mit einem Plasma aus Deuterium und Tritium ab 2035 stattfinden, in deren Rahmen auch der Nachweis des Netto-Energiegewinns erbracht werden soll. Die Großzylinder von Konstandin werden für die gesamte Laufzeit der Anlage, bis voraussichtlich 2040, im Einsatz bleiben.