PROZESSAUTOMATISIERUNG & DIGITALISIERUNG

 Interview mit JUMO 

Vom Sensorhersteller zum Lösungsanbieter

Vor kurzem folgten wir der Einladung des deutschen Mittelständlers JUMO, bekannt als System- und Lösungsanbieter industrieller Sensor- und Automatisierungstechnik. Im Headquarter im hessischen Fulda hatten wir - PROZESSTECHNIK-Verlagsleiter Alija Palevic und Chefredakteurin Constanze Schmitz - die Möglichkeit zum regen Ideenaustausch mit JUMO-Geschäftsführer Dimitrios Charisiadis, der das Unternehmen seit nunmehr 5 Jahren führt. Im Mai 2022 wurde Dr. Steffen Hoßfeld als zweiter Geschäftsführer berufen.

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JUMO GmbH & Co. KG

Im Gespräch mit Charisiadis befassten wir uns ausführlich mit dem internen Transformationsprozess des Anbieters, sowie den Chancen und Herausforderungen, die wichtige Themen wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit für die eigenen Produktionsabläufe und die ihrer Kunden darstellen.

JUMO wurde 1948 als Hersteller von Glas- und Glaskontaktthermometern von Kurt Juchheim mit nur 6 Mitarbeitern gegründet. Heute beschäftigt das Unternehmen mehr als 2500 Mitarbeiter:innen weltweit und gilt als der Weltmarktführer im Bereich der industriellen Temperaturfühler. In seiner mehr als 75jährigen Geschichte hat sich der Anbieter vom reinen Sensorhersteller zum kompletten  System- und Lösungsanbieter für seine neun Fokusbranchen entwickelt.

 PROZESSTECHNIK:  Welche Herausforderungen sehen Sie für JUMO als deutschen Mittelständler bei der Transformation vom Produkt- zum System- und Lösungsanbieter?


Dimitrios Charisiadis: Wir decken mit unserer innovativen Palette die gesamte Automatisierungspyramide ab, vom Sensor bis in die Cloud. Wir haben uns auf den vergangenen Messen als System- und Lösungsanbieter für die unterschiedlichsten Branchen präsentiert. Das haben wir auf der SPS vergangenes Jahr am Beispiel unserer Brauanlage deutlich gemacht. Die Positionierung als System- und Lösungsanbieter werden wir in diesem Jahr noch stärker vorantreiben, wie zuletzt im März auf der Messe ISH in Frankfurt.

Das bringt natürlich Herausforderungen für die gesamte JUMO-Unternehmensgruppe mit sich. Es bedeutet eine klare Fokussierung auf den Kunden und seine Bedürfnisse, aber auch das Erkennen von Marktpotenzialen und das Generieren von Neugeschäft. Auch in diesen wirtschaftlich nicht einfachen Zeiten konnten wir zahlreiche Neukunden durch die enge Zusammenarbeit des Produkt- und Branchenmanagements, des globalen Marketing und unserer Sales-Mannschaft gewinnen. Alle sind hier in den letzten Monaten enger zusammengerückt und können so als schlagkräftiges Team am Markt agieren.

Um diesen Transformationsprozess, den wir intern „Aufbruch“ nennen, voranzutreiben, setzen wir als Gesellschafter und Geschäftsführer auf die „JUMO-DNA“. Wesentliche Bestandteile dieser DNA sind: 

    1

    Innovationskraft und Technologieführerschaft

    JUMO hat stets einen starken Fokus auf Forschung und Entwicklung gelegt. Durch frühzeitige Investitionen in neue Technologien und kontinuierliche Innovationen ist es uns gelungen, am Puls der Zeit zu bleiben und unseren Kunden stets modernste Lösungen anbieten zu können.

    2

    Kundennähe und Marktorientierung

    Wie erwähnt, hat uns die enge Zusammenarbeit mit unseren Kunden ermöglicht, deren Anforderungen und Herausforderungen genau zu verstehen und gezielt darauf einzugehen.

    3

    Mitarbeiter und Unternehmenskultur

    Unsere Mitarbeiter sind der Schlüssel zu unserem Erfolg. Langfristige Fachkompetenz, ein hohes Maß an Engagement und eine Kultur der Zusammenarbeit und des gegenseitigen Vertrauens haben die Basis geschaffen, um kontinuierlich zu wachsen und uns als Unternehmen weiterzuentwickeln.

 PROZESSTECHNIK:  Welche Branchen sieht JUMO als Kernkompetenz und gibt es Pläne für die Erschließung weiterer Anwendungen?


Dimitrios Charisiadis: Wir konzentrieren uns auf neun Fokusbranchen: Dazu zählen wir Food & Beverage, Wasser und Abwasser, Transportation, Thermoprozesstechnik, Erneuerbare Energie, Wärmemengenzähler, Safety, HKL und Distribution. Gerade im Bereich Wasser und Abwasser, Transportation, Food & Beverage sehen wir große Chancen, aber auch in der Branche erneuerbare Energie spielt in Zukunft die Musik. Bei dem Thema Fokusbranchen arbeiten wir auch ganz eng mit unseren Tochtergesellschaften weltweit zusammen.

Nehmen wir als Beispiel die hauseigene JUMO-Brauanlage, die unsere Kompetenz als durchgängiger System- und Lösungsanbieter verdeutlicht. Insgesamt wurden 14 JUMO-Produkte in der Anlage verbaut, mit denen nicht nur der Brauprozess, sondern auch eine CIP-Reinigung ermöglicht wird. Solche Applikationen wollen wir mit Fokus auf bestimmte Branchen weltweit noch stärker umsetzen. Unser Branchemanagement ist dabei, effiziente und innovative Lösungen aus einer Branche auch für andere Branchen umzusetzen.

 PROZESSTECHNIK:  Wie kann JUMO als Hersteller von Sensor- und Automatisierungstechnik zur Digitalisierung seiner Kunden beitragen?


Dimitrios Charisiadis: Die Digitalisierung ist seit Jahren das wichtigste Thema in der Automatisierungsindustrie und das wird es nach meiner Einschätzung auch die nächsten Jahre bleiben. Für den Kunden bedeutet Digitalisierung vor allem Effizienzsteigerung und damit Zeit- und Kostenersparnis.

Die Entwicklung hin zu smarten Sensoren setzt sich definitiv fort und wir reagieren darauf, indem wir unser Produkt- und Lösungsangebot stetig erweitern. Derzeit stehen bei unseren Industriekunden vor allem IO-Link und zunehmend auch SPE-basierte Sensorlösungen im Fokus, hierfür sind wir bei JUMO dabei ein durchgängiges Portfolio in diesem Bereich zu entwickeln. Dabei ist es uns besonders wichtig, nicht nur die eigentlichen Messgrößen zu erfassen, sondern auch die Signalverarbeitung und die Metadaten zu berücksichtigen, die einen erheblichen Mehrwert für unsere Kunden darstellen.

Die Inbetriebnahme unserer Produkte gestalten wir so intuitiv wie möglich, sie soll so einheitlich und unkompliziert wie möglich für alle benötigten Sensoren in einer Anwendung erfolgen – sozusagen ein Plug & Play Konzept.

Was den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) angeht, so sehen wir hier definitiv Potenzial für die Zukunft. Allerdings wird KI wohl weniger direkt in den Sensoren, sondern hauptsächlich in der Cloud eingesetzt werden, da dort die benötigte hohe Rechenleistungen zur Verfügung steht.

Dank der leistungsstarken SPE-Schnittstelle können unsere Geräte auch viele zusätzliche nützliche Informationen wie Umgebungstemperaturbedingungen oder Stresssituationen übermitteln. Diese Daten können in Zukunft von Algorithmen auf KI-Basis für Anomalie-Erkennung oder Predictive Maintenance ausgewertet werden. Wir sind darauf bedacht, mit diesen technologischen Entwicklungen Schritt zu halten und unseren Kunden innovative und zukunftsorientierte Lösungen anzubieten.

 PROZESSTECHNIK:  Wie trägt JUMO in der eigenen Produktion und beim Kunden zur Nachhaltigkeit bei?


Dimitrios Charisiadis: Durch die Entwicklung und Bereitstellung von relevanten Systemen- und Lösungen, aber auch einzelnen Produkten, die den Energieverbrauch optimieren, trägt JUMO sowohl in der eigenen Produktion als auch bei den Kunden zur Energieeffizienz bei.

So werden wir in unserem neuen SENSILO-Werk vor den Toren Fuldas nach aktueller Planung komplett auf fossile Energieträger verzichten. Hier wird die Grundlast komplett durch Wärmerückgewinnung aus den Produktionsprozessen gedeckt werden. Zur Heizungsunterstützung werden wir eine Geothermie-Anlage einsetzen, die Spitzenlasten abdecken soll.

Der Strombedarf der Produktionsanlagen wird größtenteils durch den eigenen Strom gedeckt werden, so ist zum Beispiel geplant die Kühl- und Lüftungsanlagen des neuen Werkes überwiegend mit selbst erzeugtem Strom aus einer Photovoltaikanlage zu betrieben. JUMO nutzt das komplette Potenzial zur Stromerzeugung und alle energetischen Prozesse sind auf das Ziel ausgerichtet den CO2-Fußabdruck der Produktion auf ein Minimum zu reduzieren. Die eingesetzte, intelligente JUMO Mess- und Regeltechnik sorgt dafür, dass die vorhandene Energie vollumfänglich genutzt werden kann.

Weitere wichtige Punkte für uns sind Ressourcenschonung, umweltfreundliche Technologien und Kundenschulungen. So haben wir im Unternehmen Prozesse implementiert, die den Materialverbrauch minimieren und Abfall reduzieren. Hinzu kommen diverse Recyclingprogramme oder die Verwendung nachhaltiger Materialien. Des Weiteren investiert JUMO in die Forschung und Entwicklung von Technologien, die umweltfreundlicher sind, wie Sensoren und Steuerungssysteme, die den CO2-Ausstoß reduzieren. Außerdem kann JUMO durch Schulungen und Beratungen Kunden dabei unterstützen, ihre eigenen Prozesse nachhaltiger zu gestalten.

 PROZESSTECHNIK:  Kommunikationslösungen wie IO-Link oder industrielles Ethernet über SPE liegen im Trend. Welcher Strategie folgt JUMO für sich diesbezüglich?


Dimitrios Charisiadis: Wir bei JUMO sehen, dass Single Pair Ethernet (SPE) die Automatisierung in der Prozessindustrie maßgeblich vorantreibt. SPE ist für die Sensor- und Messtechnik von Bedeutung, da es die Infrastruktur vereinfacht und die Installationskosten senkt, außerdem bietet es hohe Datenraten und ist robust in Bezug auf industrielle Störungen.

In Zukunft wird meiner Ansicht nach SPE eine Schlüsselrolle bei der weiteren Digitalisierung industrieller Umgebungen spielen, indem es eine einfache, kostengünstige und effiziente Möglichkeit bietet, eine große Anzahl von Sensoren in einem Netzwerk zu integrieren. Dies wird besonders in Industrie 4.0 und bei IIoT-Anwendungen eine erhebliche Rolle spielen. JUMO bietet aktuell drei Sensoren, die SPE- und IO-Link-fähig sind:

    1

    JUMO hydroTRANS

    Der Feuchte- und Temperatur-Messumformer mit optionalem CO2-Modul arbeitet mit dem kapazitiven Messverfahren

    2

    JUMO flowTRANS MAG H20 

    Das kompakte, magnetisch-induktive Durchflussmessgerät misst hochpräzise leitfähige Medien.

    3

    JUMO DELOS S02

    Der Druckmessumformer mit Display wird zur Erfassung von Relativ- und Absolutdrücken in flüssigen und gasförmigen Medien eingesetzt.

 PROZESSTECHNIK:  Ethernet-APL ist in aller Munde: Wird JUMO Produkte für die EX-Zonen mit APL anbieten?


Dimitrios Charisiadis: JUMO setzt die für die ausgewählten Fokusbranchen notwendigen Kommunikationsschnittstellen um. Als Mitglied der Single Pair Ethernet System Alliance verfolgt JUMO die Entwicklungen aufmerksam, um innovative Technologien gezielt in das Portfolio zu integrieren. Ethernet-APL steht dabei aktuell nicht an erster Stelle, wird aber derzeit ernsthaft von unserem Produkt- und Branchenmanagement hinsichtlich einer zukünftigen Umsetzung geprüft.

 Wir möchten uns bei dem JUMO-Team für die das freundliche und spannende Gespräch bedanken, in dem uns und unseren Lesern interessante Einblicke in die aktuelle Situation und Ausblicke auf die Zukunft eines etablierten deutschen Mittelständlers gewährt wurden.